Ausstellung «Der Überfluss der Welt –
Indische Malerei aus der Schenkung Metzger»
Museum Rietberg Zürich vom 21.9.23 bis 21.1.2024
Die in der Ausstellung gezeigten Werke stammen aus dem 15. bis 19. Jahrhundert und wurden von Berufsmalern für die hinduistischen Fürstenhöfe von Rajasthan und dem Pahari-Gebiet geschaffen, einer Bergregion des westlichen Himalayas.
Ausstellungsplakat
Was malten die Künstler der Fürstenhöfe? Vor allem Porträts der Herrscher und Darstellungen höfischer Themen, dann aber auch Illustrationen zu poetischen oder religiösen Texten. Die Bilder wurden in fürstlichen Bibliotheken oder speziellen Räumen im Palast aufbewahrt. Die Herrscherfamilien zeigten dann die Werke gerne ihren Gästen anlässlich von Festen
oder zu besonderen Gelegenheiten.
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In der Literatur des Hinduismus gibt es zwei weltberühmte Liebesgeschichten. Das eine Werk ist das Epos >Ramayana, das die abenteuerliche Geschichte des göttlichen Prinzen Rama und seiner Frau Sita erzählt.
«Gitagovinda – Indiens grosse Liebesgeschichte»
Buch von Caroline Widmer, Arnoldsche Art
Publishers, Museum Rietberg Zürich.
Das zweite und noch berühmtere Werk ist das Gitagovinda, ein Gedicht aus dem 12. Jahrhundert. Geschrieben vom ostbengalischen Dichter (und als Heiligen verehrten) Jayadeva. Er verfasste das Gitagovinda für den König Lakshmanasena, und zwar in Sanskrit (=einer heiligen Sprache des Hinduismus). Die Geschichte handelt im wesentlichen von der Verbindung göttlicher Liebe mit menschlicher Leidenschaft. Hauptdarsteller sind der hinduistische Gott >Krishna (eine Inkarnation von >Vishnu) und das Hirtenmädchen Radha.
Das Gitagovinda ist die populärste Liebesgeschichte Indiens und hat nicht nur für Indien eine grosse Bedeutung, sondern fand seinen Platz auch in der Weltliteratur – vergleichbar etwa mit dem westlichen Epos von «Romeo und Julia».
Radha und Krishna gewähren darshan. Manaku
von Guler (1700-1760). Lahore Museum Pakistan.
(Darshana=Zusammentreffen von Lehrer und
Schüler).
Es bestehen zwei Bilderserien. Die erste stammt aus dem Jahr 1730 und wurde von Manaku von Guler gemalt, die zweite vermutlich von Manakus Bruder Nainsukh um etwa 1775. Beide Serien umfassen 151 Blätter. Sie dienten dazu, das 286 Verse umfassende Gedicht von Jayadeva zu illustrieren.
Radha stellt sich vor, wie Krishna unter allen
Schönheiten nur sie sieht. Erste Guler Gitagovinda-
Serie 1730. Manaku von Guler (1700-1760).
Lahore Museum Pakistan.
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Titelbild (Ausschnitt)
Krishna tanzt mit den Hirtenmädchen.
Meister 1. Generation nach Manaku von Guler.
Museum Rietberg Zürich.
Horst Metzger (1923-2001) |
Ein Liebhaber der indischen Malerei
Wer ist dieser Sammler, der dem Museum Rietberg rund 250 indische Werke aus dem 15. bis 19. Jht schenkte? Horst Metzger (1923-2001) war Direktor eines deutschen Chemiekonzerns. Als er 1978 von Geschäftsfreunden sein erstes indisches Bild geschenkt bekam, war er so begeistert, dass er kurz danach mit dem Sammeln begann. Seine ersten eigenen Käufe tätigte er in London. Dann entschloss er, am Südasien-Institut der Universität Heidelberg
Er reiste viel in Indien, besonders nach Rajasthan. Im Maharadscha von Kotah fand er einen Freund, mit dem zusammen er das Buch schrieb «Festivals and Ceremonies Observed by the Royal Family of Kotah». Es wurde 2001 vom Museum Rietberg publiziert.
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Reiterporträt des Maharao Ram Singh II von Kotah, 1844. Museum Rietberg Zürich. |
Maharadscha Ram Singh II von Kotah
Vermutlich ein Vorfahre des Maharadschas, mit dem der Sammler Horst Metzger das Buch «Festivals and Ceremonies Observed by the Royal Family of Kotah» verfasste.
Wie üblich bei Herrschern liess sich auch dieser Maharao (andere Version von Maharadscha) idealisiert und gottgleich darstellen, schmuckbeladen und mit Schwert, hoch zu Ross, begleitet von seinem Dienstpersonal.
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Sehnsucht nach dem Geliebten. Seit er fort ist... Erste Guler-Bihari-Satsai-Serie, Guler, 1785. Museum Rietberg Zürich. |
Pinsel aus Eichhörnchenhaaren
Man fragt sich: Wie konnten diese Miniaturen so farbenprächtig und so detailreich gemalt werden? Die Antwort: Indem die Künstler feinste Pinsel aus Eichhörnchenhaaren (!) verwendeten.
Die Farben wurden aus mineralischen, organischen oder auch chemisch erzeugten Farbpigmenten gemischt – mit Wasser und mit Gummiarabicum als Bindemittel. Das heisst, die Bilder sind eine Art Aquarelle. Die Farben wurden in mehreren dünnen Schichten übereinander aufgetragen und dann mit einer Achatkugel poliert. Zusätzlich wurde oft zu Pulver zerriebenes Blattgold und Silberfolie appliziert.
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Manaku von Guler (1700-1760). Krishna tanzt am Ufer des Flusses Yamuna, 1730. Ausschnitt. Museum Rietberg Zürich.
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Manaku von Guler – der Malerstar?
Die meisten der indischen Malereien weisen den Erschaffer des Werkes nicht aus. Auf den Namen Manaku stösst man aber hie und da. Entweder wird er selbst als Urheber genannt oder dann (bei anderen Werken) als «Meister 1. Generation nach Manaku». Vielleicht kann man daraus schliessen, dass Manaku eine bedeutende Malergrösse war.
Manaku stammte aus dem Bundesstaat Guler im heutigen Himachal Pradesh. Nach seinem Tod geriet er in den Schatten seines jüngeren Bruders Nainsukh. Manaku von Guler gilt als Vertreter des so genannten Pahari-Stils. Er signierte seine Werke nur selten.
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Fotogalerie Ausstellung Museum Rietberg |
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Krishna spielt Flöte für eine Hirtenfrau. Detail. Meister
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Gitagovinda –die grosse indische Lovestory
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Krishna bittet Radha auf sein Blätterbett. Meister 1.Generation nach Manaku von Guler. Museum Rietberg Zürich.
Krishna vergnügt sich mit den Hirtenmädchen. 1775. Meister der 1. Generation nach Manaku von Guler. Museum Rietberg Zürich.
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Höhen und Tiefen der Leidenschaft
Die schöne Radha verkörpert im Gedicht von Jayadeva keine Einzelfigur, sondern die Gesamtheit der anonymen Hirtenfrauen.
Am Beispiel dieser Frauenfigur beschreibt der Dichter Gefühle und Leidenschaft, die ein jugendlicher Gott wie Krishna in einer Frau zu entfachen vermag. Es heisst, der jugendliche Krishna hätte 16'000 (!) Gespielinnen gehabt.
Im Gitagovinda wird die Liebesgeschichte mit allen Höhen und Tiefen beschrieben. Am Anfang wird Radha von ihrem Ziehvater gebeten, den noch unerfahrenen und ängstlichen jungen Krishna durch einen dunklen Wald zu führen.
So unerfahren und ängstlich scheint der junge Krishna allerdings nicht gewesen zu sein – eher ein Verführer, oder war Radha die Verführerin? – jedenfalls erliegen die beiden der Leidenschaft und so kommt es schon bei dieser ersten Begegnung im Wald zur ersten Liebesnacht.
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Radhas Erinnerung an die erste gemeinsame Nacht. Zweite Guler Gitgovinda-Serie 1775. Meister der 1. Generation nach Manaku von Guler. Museum Rietberg Zürich. |
Radhas bittere Enttäuschung...
Radha erzählt ihrer Freundin begeistert von ihrer ersten Liebesnacht mit Krishna. Und erlebt dann ihre erste Enttäuschung, als ihre Freundin ihr berichtet, dass Krishna sich bereits mit anderen Mädchen vergnügt habe. Ist sie also nicht die erste? Und nicht die einzige, die von Krishna geliebt wird?
Voller Schmerz malt sie sich nun die Zärtlichkeiten aus, die Krishna mit den anderen Mädchen getauscht hat. Noch schlimmer ist ihre Vorstellung, dass Krishna sich gar nicht bewusst sein könnte, wie sehr sie leidet und dass er vielleicht keinen Gedanken an sie verschwenden könnte...
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Radha und Krishna setzen ihr Liebesspiel fort. Zweite Guler Gitagovinda-Serie von 1775. Meister der 1. Generation nach Manaku von Guler. Privat-sammlung.
Khajuraho-Lakshmana-Tempel. Foto Aotearoa, 2007. WikiCommons 3.0. |
...gefolgt von Liebes-Ups-and-Downs
Die Geschichte des Liebeslebens von Krishna und Radha lässt sich im Buch «Gitagovinda – Indiens grosse Liebesgeschichte» von Caroline Widmer nachlesen (erschienen bei Arnoldsche Art
Wenig verwunderlich ist die Feststellung, dass sich die Liebesdramen seit dem 12. Jahrhundert nicht gross gewandelt haben. Was im Gitagovinda steht, findet sich auch in heutigen Lovestorys.
Bemerkenswert an den Abbildungen im Gitagovinda ist aber dies: Die hier gemalten «Sexszenen» kommen lieblich und harmlos daher, fast schon jugendfrei. Sie stammen aus dem 18. Jahrhundert. Die älteren Tempel Indiens enthalten dagegen ziemlich deftige Sexdarstellungen.
Zum Beispiel in den Tempeln von Khajuraho im Bundesstaat Madhya Pradesh. Diese stammen aus dem 10. bis 12. Jahrhundert und sind ein Weltkulturerbe der UNESCO.
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