Es ist mehr als ein Museum. Der Palazzo Pezzoli vermittelt einen Einblick, wie damals wohlbetuchte Bürger gelebt haben. In diesem Fall ist es der Mailänder Kunstsammler Gian Giacomo Poldi Pezzoli (1822-1879), der von seinem Vater einen prächtigen Palazzo ganz in der Nähe der Mailänder Scala erbt und in diesem seine Kunstsammlung pflegt. Nach seinem Tod wird der Palazzo zum Museum und 1881 dem Publikum zugänglich gemacht.
Zur Sammlung gehören nicht nur Gemälde und Skulpturen, sondern auch archäologische Funde, Waffen, Rüstungen, Keramik, Uhren (sogar Sonnenuhren), Juwelenschmuck, ostasiatische Kunst, Möbel, Teppiche, Muranoglas-Kostbarkeiten, Grafiken, Bücher – es sollen mehr als 3'000 Objekte sein.
Palazzo Poldi Pezzoli, 200 Meter neben
der Mailänder Scala.
Treppenaufgang.
Treppenhausgewölbe.
Wohnzimmer.
Salon mit Marmorboden.
Das Spezielle an diesem «Museum» ist die Präsentation der Kunstwerke. Die Gemälde, Skulpturen und Kostbarkeiten sind nicht einfach gehängt oder ausgestellt, sondern in die prachtvollen Räume integriert, die schon an sich Kunstwerke sind. Vielleicht sieht sie der heutige Besucher so, wie sie sich schon damals präsentiert haben, als es noch eine Privatsammlung der Familie Pezzoli war.
Highlights der Sammlung Poldi Pezzoli |
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Francesco Hayez (1791-1882). Porträt Poldi Pezzoli, 1851.
Lorenzo Bartolini (1777-1850). Busto di Rosa Trivulzio Poldi Pezzoli, 1838.
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Der Sammler Poldi Pezzoli (1822-1879)
Er wächst in einem wohlhabenden kulturellen und künstlerischen Umfeld auf. Sein Vater ist ein reicher Grossgrundbesitzer und besitzt einen Grafentitel. Seine Mutter gehört einer der nobelsten Mailänder Familien an, den Trivulzio.
Ob und was Poldi Pezzoli «gearbeitet» hat, ist nicht bekannt. Er verkehrt in adligen Kreisen und befasst sich mit Kunst und Literatur. Nach dem Tod seines Vaters beschäftigt er sich vor allem mit seiner Kunstsammlung, die bedeutende Werke von Botticelli, Mantegna, Piero della Francesca, Bellini und weiteren Grössen enthält. Er sammelt aber auch wertvolle Teppiche, Möbelstücke, Waffen, Bronzen, Keramiken und Schmuck.
All das bringt er im Palazzo unter, den er von seinem Vater geerbt hat. Er lässt das stattliche Gebäude renovieren, damit es später als Museum genutzt werden kann. Das geschieht zwei Jahre nach seinem Tod und 1881 wird es dem Publikum zugänglich gemacht.
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Andrea Mantegna (1431-1506). Madonna con il Bambino, 1490-1500. |
Andrea Mantegnas Madonna mit Kind
Dieses heute unbezahlbare Bild hat der Kunstsammler Poldi Pezzoli 1856 vom berühmten Kunsthistoriker Giovanni Morelli (1816-1891) erworben. Morelli hatte in der Schweiz Medizin studiert, war aber nie als Arzt tätig, dafür als Politiker in Italien und als Kunsthistoriker. Berühmt ist er deshalb, weil er seine eigene Methode entwickelte, um Fälschungen zu entdecken. So zum Beispiel konnte er belegen, dass die «Schlafende Venus» nicht von Tizian stammte, sondern von Giorgione >mehr
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Sandro Botticelli (1445-1510). Compianto sul Cristo morto, 1495-1500. Pezzoli Milano. |
Botticellis Klage über den toten Christus
Wahrscheinlich das wertvollste Gemälde in der Sammlung Poldi Pezzoli. Sandro Botticelli fängt die Trauer um den verstorbenen Christus in einer Form ein, wie nur er es versteht. Maria und all die anderen Figuren sind in tiefe Trauer verfallen – und dennoch bildschön und lieblich abgebildet, sogar der tote Christus.
Das Bild stammt aus einem kleinen Altar in der Santa Maria Maggiore in Florenz.
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Piero del Pollaiolo (1443-1496). Ritratto di giovane donna, 1470. Pezzoli Milano |
Pollaiolos noble Aristrokatin
Dieses Frauenporträt gehört zu den berühmtesten Bildern der Renaissance – das Museum Poldi Pezzoli hat es zu seinem Firmensymbol erhoben. Es zeigt eine noble Aristrokatin in prächtigem Kleid und wertvollem Schmuck vor einem ruhigen Hintergrund (Himmel), wie es flämische Maler zu dieser Zeit praktizierten. Ausgeführt wurde die Arbeit aber in einer Florentiner Werkstatt durch Piero del Pollaiolo, der Maler, Graveur und Goldschmied war. Sein Bruder Antonio soll daran mitgearbeitet haben.
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Giovanni Bellini (1427-1516). Imago Pietatis, 1460. Pezzoli Milano |
Giovanni Bellini: Jesus steigt aus dem Grab
Steigt der Wiederauferstandene aus einer Holzkiste oder aus seinem Grab? Lebendig wirkt er (noch) nicht wirklich mit seiner extremen Blässe und mit den geschlossenen Augen. Auf den Tod hin weist auch der abgestorbene Baum auf der Felsklippe rechts. Und ebenso die öde Landschaft im Hintergrund.
Dieses (Früh)Werk stammt aus der Epoche, in der Bellini noch stark unter dem malerischen Einfluss seines Schwagers, Andrea Mantegna, stand.
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Jacopo Palma il Vecchio (1480-1528). Ritratto femminile detto la Cortigiana, 1520. Museo Pezzoli Milano. |
Jacopo Palmas «Kurtisane»
Niemand weiss, wer dieses Bild als «Cortigiana» (=Kurtisane) betitelt hat. Und es stellt vermutlich auch keine Kurtisane dar, sondern eine frisch verheiratete Ehefrau.
Im Venedig dieser Epoche trägt eine ledige Frau ihren Haarschmuck geknotet. Erst als Braut darf sie die Haare – aufreizend – lösen. Die weisse Bluse ist ein typisches Element der Brautkleidung – und gleichzeitig ein Symbol der Keuschheit. Die nackt präsentierte Brust schliesslich gilt als Symbol der Fruchtbarkeit und muss als Element der Verführung (des Ehemannes!) gedeutet werden.
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