Kaiser Karl V ist sein grösster Fan.
Vor allem, weil Tizian nicht nur malen kann, sondern auch schönen. Er verwandelt hässliche Gesichter in schöne. >Karl V leidet unter einem extrem vorstehenden Kinn. Aber auf den Gemälden von Tizian kommt er ganz passabel daher. Deshalb ist der Kaiser so begeistert, dass er den Künstler zum «Ritter vom Goldenen Sporn» schlägt. Normalerweise darf sowas nur der Papst. Aber als Kaiser nimmt sich dieses Recht auch heraus. Notabene: auch Wolfgang Amadeus Mozart ist ein Ritter vom Goldenen Sporn. Und Benito Mussolini auch.
Tizian gehört zusammen mit >Tintoretto und
>Paolo Veronese zum «Dreigestirn» der venezianischen Malerei.
Tizian (1490-1576). Selbstporträt, 1550-62. Gemäldegalerie Berlin.
Wann Tiziano Vecellio zur Welt kommt, weiss niemand genau. Im Sterberegister von Venedig steht: «Er starb im Alter von 103 Jahren». Geburtsjahr wäre also 1473. Zeitzeugen wie der Kunsthistoriker >Giorgio Vasari berichten dagegen, er habe Tizian 1566 getroffen, da sei er 76 gewesen. Dann wäre er 1490 geboren und 86 geworden. Schon realistischer.
Tizian ist der berühmteste Künstler Venedigs und zählt zum Kreis der bedeutendsten Vertreter der Hochrenaissance, zusammen mit Raffael, Leonardo und Michelangelo. Sein Markenzeichen sind die strahlenden Farben. Mit seinem Stil beeinflusst er ganze Maler-Generationen – weit über Italien hinaus. Rubens und Rembrandt, Poussin und Delacroix, sie alle sind seine Jünger.
Er selbst ist ein Schüler des venezianischen Malers >Giovanni Bellini (1437 bis 1516). Von Anfang an drückt er sich mit starken Farben aus und verleiht seinen Figuren einen lebendigen Ausdruck. Als sein Lehrer 1516 stirbt, übernimmt er in Venedig die Position als führender Künstler. Für 60 Jahre.
Papst Paul III holt Tizian nach Rom. Im Vatikan arbeitet der Künstler zwar, erreicht aber sein Ziel nicht, ein päpstliches Lehen für seinen Sohn Pomponio zu erhalten. Trotzdem geht es ihm gut in Rom, er wird zum Ehrenbürger ernannt und künstlerisch defacto der Nachfolger von Michelangelo.
In seinen letzten 20 Jahren – nach der Machtübergabe Karls V an Philipp II im Jahr 1555 – arbeitet Tizian hauptsächlich für den neuen spanischen König und als Porträtist.
Der Tod seines Mäzens Kaiser Karl V im Jahr 1558 schwächt seine Lebensfreude und verändert seinen Malstil. Mit seinem persönlichen Älterwerden verlieren sich Farben und Leichtigkeit der früheren Jahre.
Tizian stirbt am 27. August 1576 in Venedig an der Pest. Er ruht in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari in Venedig.
Titelbild (Ausschnitt)
Tizian (1490-1576)
Maria Himmelfahrt, 1516-18.
Hochaltar Santa Maria Gloriosa
dei Frari, Venedig.
>Jacopo Palma d.Ä. (1480-1528)
>Jacopo Tintoretto (1518-1594)
Heilige und weltliche Liebe, 1512. Galleria Borghese, Rom.
Mariä Himmel-
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1507: Im Wettstreit mit Giorgione
Tizian und Giorgione sind beides Schüler von >Giovanni Bellini (1437-1516).
>Giorgione (1478-1510) malt, ohne vorher Zeichnungen anzufertigen. Tizian übernimmt diese Methode. Beherrscht sie so gut, dass man die beiden Künstler kaum auseinanderhalten kann. Das ist bis heute so, Zuordnungen sind immer noch schwierig. 1510 stirbt Giorgione. 1516 auch Bellini.
Nun ist Tizian der gefragte Mann in Venedig.
Für den Hochaltar in der venezianischen Kirche «Santa Maria Gloriosa dei Frari» malt er dieses fast 7 Meter hohe Bild «Mariä Himmelfahrt» mit zwölf Aposteln. Das Bild ist eine Sensation und sorgt in der Bevölkerung für Begeisterung. Es dürfte auch Tizians berühmtestes Werk sein.
1517 erhält Tizian von der Stadt Venedig den Auftrag, Bellinis Bilder im Grossen Ratsaal fertig zu stellen. Zudem nimmt man ihn unter Vertrag: Er soll künftig alle Dogen porträtieren – zum Preis von 8 Kronen pro Stück.
>mehr über Santa Maria Gloriosa dei Frari
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Tizian (1490-1576). Venus Anadyomene, 1520. Scottish National Gallery, Edinburgh. |
1520: Venus aus dem Meer
«Venus Anadyomene» heisst der Bildtitel in der griechischen Form, übersetzt: «Venus aus dem Meer». Die Venus soll ja aus einer Muschel geboren sein. Diese ist unten links im Bild angedeutet. Das Gemälde gehörte einst der schwedischen Königin Christina (1626-1689) und ging später an den 6. Herzog von Sutherland über. Dieser verlieh es 1945 zusammen mit weiteren 26 Werken an die National Gallery of Scotland.
Nach dem Tod des kinderlosen Herzogs erwarb es sein Cousin Francis Egerton (7. Herzog von Sutherland), für 11 Mio britische Pfund mit Hilfe des National Art Collections Fund. Heute ist es im Besitz der National Gallery of Scotland Edinburgh – und dort ist es ein Highlight der Sammlung.
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Abendlandschaft |
Tizian im Kunsthaus Zürich? oder ist es ein Giorgione?
Giorgione und Tizian sind beides Schüler von Giovanni Bellini. Dieses Gemälde heisst «Abendlandschaft mit Figurenpaar» und soll aus den Jahren 1518-20 stammen, ist aber weder signiert noch datiert.
Im Kunsthaus Zürich geht man davon aus, dass es sich um einen Tizian handelt. Andere sind der Ansicht, dass es von Giorgione gemalt wurde. Giorgione war ein Mitschüler Tizians in der Werkstatt von Giovanni Bellini.
>mehr über die «Abendlandschaft»
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Kaiser Karl V, Reiterporträt, 1548. Museo del Prado, Madrid. |
1532: Hofmaler von Kaiser Karl V
Tizian lernt den Kaiser in Bologna kennen und porträtiert ihn so «gut» (zu schön...), dass ihn der Kaiser zum Hofmaler ernennt und zum Ritter schlägt. Sogar seine Kinder werden geadelt.
Dafür ist man in Venedig sauer auf den Künstler: er vernachlässige die Arbeiten im Dogenpalast. Man entzieht ihm das Patent und vergibt dieses an Pordenone, doch dieser stirbt schon 1539, Tizian ist wieder im Rennen.
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Tizian (1490-1576). Venus von Urbino, 1538. Galleria degli Uffizi, Florenz.
Giorgione (1478-1510). Venere dormiente, 1508. Gemäldegalerie Alte Meister Dresden.
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1538: Die Venus von Urbino
Wieso Urbino? Weil das Gemälde vom Herzog von Urbino – Guidobaldo II della Rovere – in Auftrag gegeben wird, und zwar 1534 für seine eigene Hochzeit mit Giulia Verano, die erst 11 Jahre alt ist. Das Bild soll Anschauungsmaterial für sie sein, im Hinblick auf die Vollziehung der Ehe, die nicht vor 1538 vollzogen werden darf. In diesem Jahr wird allerdings auch das Bild erst fertig.
Als Inspiration soll Tizian >Giorgiones Gemälde von 1508 «Die schlafende Venus» verwendet haben. Giorgiones Nackte liegt allerdings einiges eleganter in der Landschaft. Tizians Venus dagegen soll die Ehefrau darstellen, erkennbar an der Aussteuer-Truhe im Hintergrund. Und auch am Hund, dem Symbol für Treue. Mit solch banalen Dingen musste sich die mythologische Venus nicht rumschlagen.
PS: Die «Schlafende Venus» galt lange als ein Werk Tizians, bis der Kunsthistoriker Giovanni Morelli (1816-1891) bewies, dass der Urheber Giorgione war.
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Papst Paul III.
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1540: Erfolgreich und wohlhabend
Tizian hat inzwischen eine Stellung erreicht, die nur noch mit Raffael, Michelangelo oder Rubens zu vergleichen ist. Er bekommt jährliche Zuwendungen vom Marquis del Vasto und von Kaiser Karl V.
In Venedig bewohnt er eine Villa auf dem
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Danae empfängt
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1553: Danae empfängt den Goldregen
Die griechische Mythologie gehört auch zu Tizians Palette. Hier geht es um Danae, die Tochter des Akrisios. Göttervater Zeus begehrt sie und findet durch das Hausdach Zugang zu ihr, indem er sich in einen Goldregen verwandelt. Aus der Verbindung entsteht der Sohn Perseus.
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Pietà, 1576.
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1576: Tizians letztes Gemälde?
Die «Pietà» ist wahrscheinlich das letzte Werk Tizians. Es widerspiegelt die trübe Laune des Künstlers in seinen letzten Lebensjahren.
Und möglicherweise auch die Stimmung in Venedig, während dort die Pest wütet, an der er selbst stirbt. Das Gemälde ist heute in der Galleria dell'Accademia in Venedig zu sehen.
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Fotos / Diashow
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Giorgio Vasari,
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Wie Giorgio Vasari Tizian beschreibt
«Als Tizian die Art Giorgiones kennenlernte, suchte er sich von der des Giovanni Bellini frei zu machen. Er ahmte die Arbeiten Giorgiones in kurzer Zeit so gut nach, dass seine Bilder zuweilen irrig für Werke jenes Meisters gehalten wurden.
Reifer an Jahren, Übung und Einsicht, führte Tizian eine Menge Bilder in Fresko aus, die man nicht der Reihe nach aufzählen kann, weil sie an verschiedenen Orten verstreut sind. Es genügt, dass viele verständige Leute urteilten, es werde ihm in der Kunst der Malerei Herrliches gelingen, wie es ja dann später auch wirklich geschehen ist.»
Giorgio Vasari ist der erste Kunsthistoriker der Geschichte. Er verfasste Biographien über alle italienischen Malergrössen der Renaissance.
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