Die berühmtesten Ikonen

 

Was ist eine Ikone? Ein religiöses Kultbild, das in der christlichen Tradition von zentraler Bedeutung ist – insbesondere in den orthodoxen Kirchen. Der Begriff «Ikone» leitet sich vom griechischen Wort «eikón» ab, was Bild oder Abbild bedeutet.

 

 

Im Katharinenkloster – im Sinai am Fuss des Mosesberges – befindet sich die älteste noch
vorhandende Ikone aus dem 6. Jahrhundert:

die Christus-Pantokrator-Ikone.

 


Die Ikonenmalerei entwickelte sich aus den Motiven und den Maltechniken der spätantiken figürlichen Malerei. Als Vorbilder dienten Totenbildnisse von Kaisern und Göttern. Das Blütezeitalter der Ikonenmalerei begann im Byzantinischen Reich, etwa ab 395 n.Chr.


In den ersten Jahrhunderten des Christentums war
die Darstellung religiöser Figuren umstritten, weil Moses' Gebote im Alten Testament Abbildungen von Gott untersagte.

 

>mehr über Moses' Bilderverbot

 

Mit der Geburt Christi (Neues Testament) veränderten sich die Grundlagen. Bildliche Darstellungen aus der Bibel kamen mehr und mehr auf. Die Kirche erkannte die Bilder als willkommenes «Marketinginstrument»: Den Gläubigen, von denen damals nur wenige lesen konnten, war die Bibel mit Bildern besser zu erklären als mit Texten.

 

 

Der byzantinische Bilderstreit

 

Im 8./9. Jahrhundert kam es zum «byzantinischen Bilderstreit». Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob Bilder überhaupt verehrt werden dürften. Der Streit begann 726 unter Kaiser Leo III, der die Entfernung religiöser Bildwerke aus Kirchen anordnete. Er sah in der Anbetung von Bildern einen «Götzendienst» und wollte den Einfluss der Mönche einschränken, die Ikonen verehrten und mit diesen Handel betrieben. Unterstützt wurde Leo III von den so genannten Ikonoklasten (Bildgegner), die sich auf das alttestamentarische Bilderverbot beriefen: «Du sollst dir kein Gottesbild machen» (Exodus 20.4).

 

Auf der anderen Seite standen die Ikonodulen (Bilderverehrer), die in Ikonen Vermittler zwischen Gott und Gläubigen sahen.


Die erste Phase des Konflikts dauerte rund sechzig Jahre. Das Siebte Ökumenische Konzil von Nicäa im Jahr 787 liess die Bilderverehrung wieder zu. Aber schon im Jahr 815 wurde unter Papst Leo V wieder ein bilderfeindlicher Kurs eingeschlagen. Erst 843 wurde der Streit endgültig beendet, als die byzantinische Kaiserin Theodora II die Ikonenverehrung offiziell wieder einführte. Dieser Tag wird in der orthodoxen Kirche als «Triumph der Orthodoxie» gefeiert.

 

 

Theodora II «die Jüngere», Kaiserin
von Byzanz (815-867), führte die
Bilderverehrung 843 wieder ein. 

 

 

Im 16. Jahrhundert, im Zuge der >Reformation, kam es in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden erneut zu einem Bilderstreit. Skulpturen und Bilder von Heiligen wurden aus Kirchen entfernt, beschädigt oder gar verbrannt. Besonders eifrig setzte sich der Zürcher Reformator >Huldrich Zwingli für das Bilderverbot ein.

 

Die römisch-katholische Kirche dagegen bestätigte im Verlauf der Gegenreformation am Konzil von Trient 1563 das Recht auf Bilder- und Heiligenverehrung ausdrücklich.

 

 

Ikonen-Maltechniken

 


ENKAUSTIK
Diese älteste Technik der Ikonenmalerei wurde noch bis ins 15. Jahrhundert verwendet, obwohl ihr die Tempera-Technik ab dem 6. Jht Konkurrenz machte. Bei der Enkaustik werden Farbpigmente in einer Mischung aus Bienenwachs und Harzen gebunden. Die Farben müssen warm aufgetragen werden. Die Enkaustik erzeugt warme, intensive Farbtöne und eine körperhafte Wirkung. Sie ermöglicht aber nur nebeneinander stehende Farbflächen ohne feine Übergänge.

 


TEMPERA
Ab dem 6. Jahrhundert entwickelt, wurde sie zur dominanten Technik in der Ikonenmalerei. Farbpigmente werden mit Eigelb vermischt. Farben werden in dünnen Schichten übereinander aufge-tragen. Die Tempera ermöglicht harte und klare Konturen und bietet grosse Dauerhaftigkeit. Mehrere Kreideschichten werden aufgetragen, vermischt mit Knochenleim. Die Oberfläche wird weiss geschliffen. Vor der Bemalung wird die Vergoldung aufgetragen, die als Hintergrund dient. Mehrere Firnisschichten aus Leinöl schützen die Farben und verstärken ihre Leuchtkraft. Als Träger wird harzfreies Holz verwendet, meist Lindenholz.

 

 

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>die Fussball-Ikonen eines Zürcher Künstlers

 

 

 

Titelbild

Ikone «Heilige Dreifaltigkeit» von

Andrei Rublev (1360-1430), entstanden

etwa 1411-1427.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Christus-Pantokrator-Ikone aus dem 6. Jht im Katharinenkloster im Sinai.

 

Die älteste erhaltene Ikone?

 

Wahrscheinlich. Die Christus Pantokrator-Ikone
befindet sich heute im Katharinenkloster am Fuss des Mosesberges im Sinai/Ägypten.

 

Die ältesten Ikonen stammen aus dem 6. Jahrhundert. Nur wenige überlebten den >byzantinischen Bilderstreit des 8./9. Jahrhunderts.

 

Man vermutet, dass die «Pantokrator» in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Konstantinopel gefertigt wurde. Von hier gelangte sie ins Katharinenkloster im Sinai. Jahrhundertelang blieb sie unerkannt, weil sie übermalt worden war. Erst nach einer Restaurierung im Jahr 1962 kam sie wieder ans Licht. Sie misst 84 x 44 cm. Der Bildträger ist ein Holzbrett. Gemalt wurde sie in >Enkaustik-Technik.

 

Was bedeutet Christus Pantokrator? Der Begriff stammt aus dem Griechischen und steht für «Weltenherrscher». Damit ist Jesus Christus als Herrscher über das gesamte Universum gemeint.

 

 

Ikone der Gottesmutter
von Wladimir,
12. Jht, Tretjakov Galerie, Moskau.

 

 

Ein Nationalheiligtum Russlands

 

Die Ikone der Gottesmutter von Wladimir (russisch: Wladimirskaja) ist eine der berühmtesten und am meisten verehrten Ikonen der russischen Orthodoxie. Sie gilt als Nationalheiligtum und befindet sich heute in der Tretjakow-Galerie in Moskau, oder genauer: in der zum Museum gehörenden Kirche des Heiligen Nikolaus von Tolmatschauch. Sie soll im 11./12. Jahrhundert in Konstantinopel gefertigt worden sein.

 

Der Legende nach soll die Ikone eines von drei Porträts sein, die der Evangelist Lukas malte. Historische Belege dafür gibt es nicht.


Die Ikone gehört zum Typus der Eleusa (griechisch für «die Erbarmerin»). Dieser Typus zeigt eine innige Beziehung zwischen Maria und dem Christuskind. Maria neigt ihr Gesicht liebevoll dem Kind zu und ihr leidvoller Ausdruck weist auf die zukünftige Passion Christi hin.

Die Ikone wurde im Laufe der Geschichte mit zahlreichen Wundern in Verbindung gebracht, darunter die Rettung Moskaus vor feindlichen Attacken (z.B. der Angriff durch Timur im Jahr 1395).


 

Ikone «Heilige Dreifaltigkeit» von Andrei Rublev (1360-1430), entstanden etwa 1411-1427.

 

Die Dreifaltigkeits-Ikone des Andrei Rublev

 

Andrei Rublev (ca. 1360–1430) war ein Mönch und ist heute der bekannteste Ikonenmaler Russlands.
Die Ikone wurde zwischen 1411 und 1427 geschaffen, wahrscheinlich für das Dreifaltigkeits-Sergius-Kloster in Sergiev Posad, etwa 70 km nordöstlich von Moskau.

 

Der Inhalt basiert auf der alttestamentarischen Szene aus Genesis 18, in der drei Engel Abraham und Sara besuchen. Rublev konzentriert sich ganz auf die drei Engel als Symbol der Heiligen Dreifaltigkeit. Das Werk wird gerne auch als Ikone der Ikonen bezeichnet und ist ein zentraler Bestandteil des russischen Kulturerbes.

 

1551 wurde die Ikone auf dem Konzil von Stoglav als Vorbild für die Ikonenmalerei anerkannt. Sie verblieb jahrhundertelang im Dreifaltigkeits-Sergius-Kloster und wurde später in die Tretjakow-Galerie in Moskau überstellt. 2022 wurde sie jedoch der russisch-orthodoxen Kirche zurückgegeben.

 

 

 

Ikone der Gottes-mutter von Kasan, entdeckt 1579 in Kasan (Russland).

 

 

Die Kopie von 1730. Künstler unbekannt.

 

Kasanskaja – die Wundervollbringende

 

Die Ikone der «Gottesmutter von Kasan» ist eine der am meisten verehrten der russisch-orthodoxen Kirche. Sie gilt als Schutzpatronin Russlands und wird mit zahlreichen Wundern in Verbindung gebracht. Es heisst, einem Mädchen namens Matrona sei die Gottesmutter im Traum erschienen. Diese habe ihm den Fundort der Ikone offenbart. Man fand das Werk 1579 in einem ausgebrannten Haus in Kasan. 1612 wurde die Ikone von Fürst Poscharski beim Befreiungskampf Moskaus gegen polnischen Truppen mitgeführt – sie soll ihm dabei zum Sieg verholfen haben.

 

Inhalt: Maria wird mit einem ernsten Ausdruck dargestellt, während das Kind segnend auf die Betrachter blickt. Es handelt sich um eine Ikonen-Variante des Typus Hodegetria («die Wegweiserin») – Maria weist auf Christus als den Erlöser hin.


Ursprünglich wurde die Ikone im Theotokos-Kloster in Kasan aufbewahrt – bis sie Anfang des 20. Jahrhunderts gestohlen wurde. Heute existieren mehrere Kopien davon. Eine berühmte stammt aus etwa 1730 (Künstler unbekannt). Sie landete zwischenzeitlich im Vatikan, bevor sie 2004 an die russisch-orthodoxe Kirche zurückgegeben wurde.

 

 

 

«Spas Nerukot-wornyi» von Simon Uschakow (1626–1686). Ein Mandylion ist ein «nicht von Menschenhand geschaffenes», sondern «von Gott gesandtes Christusbildnis».

 

Mandylion, Ikone, 1800, Russland.

 

Mandylion – «nicht von Menschenhand»

 

Simon Fjodorowitsch Uschakow (1626–1686) wurde schon in jungen Jahren in die Kreml-Werkstätten berufen, wo er für den Zarenhof arbeitete und die Gunst von Zar Alexej Michailowitsch Romanow genoss. Er brachte westliche Einflüsse in die russische Ikonen-Kunst ein. Seine Werke zeichnen sich durch eine gewisse Realität aus – was aber bei vielen Geistlichen nicht gut ankam. Diese fanden seine Werke als zu weltlich. Uschakow war einer der ersten russischen Künstler, der seine Werke signierte, was in seiner Zeit unüblich war.

Simon Uschakows Werk «Spas Nerukotwornyi»
ist ein Mandylion. Unter Mandylion versteht man die Darstellung des Antlitzes Christi auf einem Tuch, das nach der Überlieferung auf wundersame Weise entstanden ist – und in der orthodoxen Tradition als «nicht von Menschenhand gemacht» gilt.

 

Das Mandylion basiert auf einer biblischen Legende:

Als der Erlöser sein Gesicht wusch und mit einem Handtuch trocknete, zeichnete sich auf dem Stoff sein Konterfei ab. So wurde es zum ersten Jesusbild.

 

Uschakows Mandylion wurde zu einem wichtigen Symbol der russisch-orthodoxen Frömmigkeit und ist ein Beispiel für die Verschmelzung von Tradition und Innovation in der russischen Ikonenmalerei.

 

 

 

Ikone des Erzengels Michael von Mantamados, Griechenland, ca. 10. Jht.

 

Aus Lehm und dem Blut von Mönchen

 

Im Kloster Agios Taxiarchis in Mantamados auf der Insel Lesbos befindet sich die bekannteste und meistverehrte Ikone Griechenlands. Ihr sagt man eine interessante Entstehungsgeschichte nach. Gemäss Legende wurde das Kloster im 10. Jahrhundert von Sarazenen-Piraten überfallen. Diese töteten alle Mönche – ausser einem. Dieser Mönch formte die Ikone aus einer Mischung von Lehm und dem Blut der getöteten Mönche, der Märtyrer.
Im Gegensatz zu gemalten Ikonen ist diese Darstellung des Erzengels Michael tatsächlich ein Relief, das aus Lehm gefertigt wurde.

 

Das Kloster befindet sich in Mantamados, einem Dorf im Nordosten der Insel Lesbos. Es ist eines der wichtigsten religiösen Zentren der Insel und gilt als heiliger Ort, an dem Gläubige Wunderberichte mit dem Erzengel Michael in Verbindung bringen. Besucher bringen oft Schuhe als Votivgaben für die Ikone, da Michael auch als Schutzpatron von Reisenden gilt.

 

 

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Die Ikone der Gottesmutter von Tschenstochau, auch «Schwarze Madonna».
Kloster Jasna Góra, Tschenstochau, Polen.

 

Die schwarze Madonna von Tschenstochau

 

Eines der bedeutendsten religiösen Symbole Polens und zentraler Bestandteil der polnischen Marienverehrung. Der Überlieferung nach wurde die Ikone vom Evangelisten Lukas auf einem Tisch aus dem Haus der Heiligen Familie in Nazareth gemalt. Später soll sie von Kaiser Konstantin nach Konstantinopel gebracht worden sein. Von dort gelangte sie über mehrere Stationen nach Polen, wo sie 1382 vom Fürsten Wladyslaw den Paulinermönchen von Jasna Góra geschenkt wurde, um diese vor Plünderungen zu schützen.


Einige Kunsthistoriker datieren die Ikone auf das 6. bis 9. Jahrhundert und ordnen sie dem byzantinischen Ikonentypus der Hodegetria («Wegweiserin») zu; andere vermuten, dass sie im 14. Jht von einem unbekannten italienischen Künstler geschaffen wurde. Die dunklen Farben des Bildes, die durch Alterung der Lackschicht entstanden sind, gaben ihr den Namen «Schwarze Madonna».


Die Schwarze Madonna wurde 1656 von König Johann II Kasimir zur «Königin Polens» erklärt, nachdem sie angeblich während des Polnisch-Schwedischen Krieges 1655 das Kloster Jasna Góra vor den schwedischen Truppen geschützt hatte – ein Ereignis, das als «Wunder von Tschenstochau» bekannt wurde.


Seit Jahrhunderten ist Jasna Góra ein bedeutender Wallfahrtsort, der jährlich Millionen Pilger aus Polen und der ganzen Welt anzieht.


 

Ikone der Gottesmutter von Pochaev, Lavra Kloster, Ukraine.

 

Die Gottesmutter von Pochaev

 

Auch sie ist für ihre Wundertätigkeit berühmt. Die Ikone wurde 1559 vom Metropoliten Neophyte aus Konstantinopel als Segensgeschenk an die Adlige Anna Goyskaya übergeben. Schon bald nach Ankunft soll Annas Bruder Philip durch Gebete vor der Ikone geheilt worden sein. Daraufhin übergab Anna die Ikone den Mönchen, die auf dem Pochaev-Hügel lebten.

 

Während einer Belagerung durch die Osmanen 1675 soll die Gottesmutter mit Engeln über dem Kloster erschienen sein, was die Angreifer dermassen in Panik versetzt habe, dass sie sich zurückzogen.

 

Dazu kommen zahlreiche Geschichten über weitere Wunder und Heilungen. Die Ikone befindet sich seit rund 400 Jahren in der Pochaev Lavra, einem Kloster und spirituellem Zentrum der orthodoxen Kirche in der Ukraine.


 

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