Alice Bailly (1872-1938)


Die Genfer Künstlerin zählt zu den führenden AvantgardistInnen der Schweiz und befasst sich vor allem mit dem Fauvismus und dem Kubismus.

 

In ihrer Epoche haben Frauen in der Kunst einen schweren Stand. Es wird ihnen sogar der Zugang zur GSMB (Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer) verwehrt. Einer der Zentralpräsidenten der GSMB ist Ferdinand Hodler (von 1912 bis 1918) – auch er ist der Ansicht, dass Frauen in der Kunst nichts zu suchen haben. Alice Bailly leidet zeitlebens unter dieser Diskriminierung.

 

 

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Alice Bailly (1872-1938). Selbstporträt 1928.

Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte,

Winterthur. Foto SIK-ISEA (Philip Hitz).

 

 

 

In ihren frühen Jahren muss sie deshalb ihre Ausbildung in speziellen «Malkursen für Frauen» absolvieren. Ein Stipendium ermöglicht es ihr dann, in München zu studieren.

 

1904 zieht sie nach Paris. Dort kommt sie mit Kubisten wie Albert Gleizes, Jean Metzinger und vor allem mit Marie Laurencin in Kontakt. Ihre fauvistisch beeinflussten Werke werden in Paris schon ab 1908 ausgestellt – am Salon d'Automne. Dank ihrer avantgardistischen Arbeiten gelingt ihr der Zugang zu den Kreisen um Guillaume Apollinaire, der als Schriftsteller und Kunstkritiker die Avantgarde fördert. Von ihm stammt zum Beispiel der Begriff Surrealismus.

 

Noch während des Ersten Weltkriegs nimmt sie Kontakt mit dem Kunstverein Winterthur auf, der sich vorwiegend für die französische Moderne stark macht. In Winterthur ermöglicht ihr der Verein zwischen 1917 und 1930 die Teilnahme an nicht weniger als elf Ausstellungen.

 

Einen besonderen Draht entwickelt sie zu dem Winterthurer Kunstsammlerpaar Arthur und Hedy Hahnloser und besucht dieses regelmässig in ihrer Villa Flora. Auch zu einem weiteren Winterthurer pflegt sie einen engen Kontakt: Zu Werner Reinhart, Bruder des bekannten Kunstsammlers Oskar Reinhart.

 

Ihre letzten Jahre ab 1923 verbringt sie in Lausanne, wo sie bis zu ihrem Tod lebt und arbeitet. Sie stirbt 1938 an Tuberkulose.

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)
Alice Bailly (1872-1938).

Le concert dans le jardin, 1920.

Musée Cantonal des Beaux-Arts de Lausanne.

 

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Alice Bailly
(1872-1938).
Jeu d'éventail
ou Femme à l'éventail, 1913. Musée Cantonal des Beaux-Arts de Lausanne.

 

In Paris bei den Kubisten

 

Alice Bailly geht 1904 nach Paris und lässt sich in der kleinen «Schweizer Kolonie» in der Rue Boissonade nieder. Sie freundet sich mit dem Schweizer Künstler >Cuno Amiet an, befasst sich auch mit Fauvismus und trifft dann auf Kubisten wie Jean Metzinger, >Marie Laurencin, Sonia Delaunay und Albert Gleizes. Ihr farbenfroher Kubismus kommt bei Kunstkritikern wie Guillaume Apollinaire gut an.

 

1913 nimmt sie an der Organisation der ersten Ausstellung kubistischer Maler in der Westschweiz teil, die in Lausanne und Genf gezeigt wird. Ihre erste Einzelausstellung widmet ihr das Museum Rath in Genf.

 

 

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Alice Bailly (1872-1938). Archers, 1911. Musée Cantonal des Beaux-Arts, Lausanne.

 

 

Die nackten Bogenschützen

 

Bailly ist keine reine Kubistin und macht auch Anleihen bei den «farbenfrohen» Fauvisten. In ihre Werke fliessen vereinfachte Formen und flächige Kompositionen mit ein. Vor allem fasziniert sie die Verwendung von leuchtenden und von der Natur abweichende Farben. Bereits ab 1908 hängen ihre fauvistisch inspirierten Gemälde im Pariser Salon d'Automne. Bis 1926 werden dort regelmässig Werke von ihr ausgestellt.

 

 

 

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Alice Bailly (1872-1938). Le thé, 1914. Kunsthaus Aarau.

 

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Alice Bailly (1872-1938). Le concert dans le jardin, 1920. Musée Cantonal des Beaux-Arts de Lausanne.

 

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Alice Bailly (1872-1938). Souvenir du pays, 1924. Kunst Museum Winterthur.

 

Starker Bezug zu Winterthur

 

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 weilt sie bereits wieder in der Schweiz und sucht die Nähe von Sammlern und Mäzenen. Ein besonderes Interesse findet sie ab 1916 am Kunstverein von Winterthur, zumal dieser den Bau eines weiteren Museumsgebäudes plant und ein Faible für die französische Moderne zeigt.

 

Auch an Baillys Werken ist der Winterthurer Kunstverein interessiert. Zwischen 1917 und 1930 nimmt sie dort an elf Gruppenausstellungen teil.

 

Arthur und Hedy Hahnloser, die Sammler

 

Bailly pflegt eine enge Beziehung zu diesem Winterthurer Kunstsammlerpaar. Sie ist häufiger Gast in der >Villa Flora, wo sie sich von den Werken französischer Künstler inspirieren lässt und dort einige Bilder malt.

 

 

Werner Reinhart, der Mäzen

 

Ihn lernt sie 1918 kennen. Er wird eine wichtige Person in ihrem Freundeskreis in Winterthur und vor allem ein verlässlicher Mäzen, der ihr künstlerisches Schaffen fördert. Er eröffnet ihr auch den Zugang in den Kreis von Komponisten, u. a. Arthur Honegger und Igor Strawinsky. Alice Bailly wünscht sich eine Liebesbeziehung zu Werner Reinhart, dazu kommt es aber nicht.

 

Werner Reinhart ist der Bruder des Kunstsammlers >Oskar Reinhart und Vorstandsmitglied der Kunstsammlung >Gottfried-Keller-Stiftung.

 

 

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Alice Bailly (1872-1938). Le goûter, 1927. Kunst Museum Winterthur.

 

Letzte Lebensjahre in Lausanne

 

1923 zieht sich Alice Bailly – inzwischen 51-jährig – nach Lausanne zurück, wo sie bis zu ihrem Tod 1938 lebt und arbeitet.

 

1936 erhält sie den Auftrag, acht Wandgemälde für das Foyer des Théâtre Vidy-Lausanne zu fertigen. Dieser Auftrag ist zuviel für die nun 64-jährige. Ihre Entkräftung macht sie anfällig für Tuberkulose, an der sie zwei Jahre später, 1938, stirbt.

 

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Fotos / Diashow

 

 

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