Marco Ricci (1676-1730)


Marco Ricci kommt im venezischen Belluno zur Welt. Seinen ersten Kunstunterricht erhält er in Mailand von seinem Onkel >Sebastiano Ricci (1659-1734). Mit ihm reist er dann als 20-Jähriger nach Venedig, muss aber schon bald aus der Stadt fliehen – Marco soll einen Gondoliere erschlagen haben, heisst es. Das würde ganz gut zu seinem Onkel Sebastiano passen – auch diesem sagt man ein turbulentes Leben nach. Ihm unterstellt man, seine schwangere Freundin vergiftet zu haben. Muss aber nicht stimmen.

 

 

Marco Ricci um 1724. Radierung von

Giovanni Faldoni (1689-1770). ETH Zürich.

 

 

Nach seiner Flucht aus Venedig ist Marco zunächst in Spalato tätig (heute Kroatien). Dort trifft er auf Antonio Francesco Peruzzini (1646-1724), einen Landschaftsmaler aus Ancona. Dieser gibt ihm den Impuls, sich mit Landschaftsmalerei zu befassen. Ricci malt in einem naturalistischen Stil, der im Veneto im 17. und 18. Jahrhundert praktiziert wird. Er produziert aber auch gerne >Capricci.

 

Als 30-Jähriger arbeitet er in Florenz (1704 bis 1708). Vermutlich zusammen mit seinem Onkel Sebastiano, der von den >Medici einen Auftrag für die Ausgestaltung eines Raumes im >Palazzo Pitti erhält (Auftraggeber ist >Ferdinando de' Medici). Die beiden Künstler arbeiten auch gemeinsam an einer Dekoration der Sala d'Ercole im Palazzo Fenzi in Florenz.

 

1708 reist Marco Ricci nach England – auf Einladung des britischen Botschafters in Venedig, Charles Montagu,
Earl of Manchester.

 

Auf dem Weg dorthin macht er 1708 einen längeren
Halt in den Niederlanden und studiert die dortige Landschaftsmalerei. Möglicherweise inspiriert ihn das für seinen eigenen neuen Landschafts-Malstil, der sich vom bisherigen venezianischen Stil abheben wird. Neues Element ist eine naturgetreue und detaillierte Darstellung. Dazu löst sich Marco Ricci auch von der bisherigen Usanz, in den Landschaften nur biblische oder mythologische Figuren zu integrieren. Marco baut nun auch Personen aus dem Alltagsleben ein.

 

 

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In England arbeitet er ab 1708. Dort sind es dann Bühnenbilder, die er im Auftrag des Queen's Theatre in Haymarket ausführt – zusammen mit dem venezianischen Maler Giovanni Antonio Pellegrini (1675-1741). Mit Pellegrini schafft er auch sechs grosse mythologische Gemälde für das Burlington House. Während seiner Zeit in England malt Ricci auch mehrere Landschaften. Und auf Bestellung von Charles Howard, Earl of Carlisle, eines seiner bekanntesten Gemälde,

«Die Opernprobe».

 

1716 kehrt Marco Ricci nach Venedig zurück

und lebt dort bis zu seinem Tod bei seinem Onkel Sebastiano Ricci. Er stirbt am 21. Januar 1730 in Venedig.

 

 

Titelbild (Ausschnitt)
Marco Ricci (1676-1730). Rehearsal

of an opera, 1709. (Die Opernprobe).

Yale Center for British Art, New Haven.

 

Marco (1676-1730) und Sebastiano Ricci (1659-1734). Vision des heiligen Bruno, 1700.

 

 

Marco Ricci (1676-1730). Südliche Landschaft im Abendlicht, 1720. Gemäldegalerie Berlin.

 

 

Wer sind Marco und Sebastiano Ricci?

 

Der etwas ältere und Berühmtere der beiden ist Sebastiano. Marco ist sein Enkel, 17 Jahre jünger. Beide gehören der venezianischen Schule an und fertigen des öfteren gemeinsame Werke.

 

>Sebastiano Ricci (1659-1734) ist vor allem für
seine Historienmalerei und seine barocken religiösen und mythologischen Gemälde in venezianischem Stil berühmt.

 

Marco Ricci (1676-1730) ist bekannt für seine Landschaftsbilder und Veduten (Stadtansichten). Marco erlangt nie ganz den Ruhm seines Onkels Sebastiano, aber er trägt zur Entwicklung der Landschaftsmalerei in Venedig und ganz Italien bei, indem er den Trend für eine detailliertere und naturgetreuere Ausführung von Veduten setzt. Dazu malt er Landschaften, die Personen aus dem Alltag enthalten und nicht wie bisher nur biblische oder mythologische Figuren.

 

 

Marco Ricci (1676-1730). Landschaft mit Mönchen und Waschfrauen, 1715. Gallerie dell'Accademia, Venezia.

 

Marco Ricci (1676-1730). Landschaft
mit Reisenden. Gallerie dell'Accademia,
Venezia.
 

 

Neuer Trend in der Landschaftsmalerei

 

Bis zum 15. Jahrhundert werden Landschaften fast ausschliesslich im Zusammenhang mit biblischen Motiven dargestellt – sozusagen als Beiwerk. Das ändert sich dann mit der niederländischen Kunst. Marco Ricci übernimmt von dieser mehrere Elemente:

 

Erstens malt er jetzt reine Landschaften.

Zweitens stellt er diese naturgetreu dar und
drittens versieht er sie mit Personen ,die keinen religiösen Charakter haben, sondern aus dem Alltag gegriffen sind. Sein Gemälde von 1715 ist ein Beispiel dafür: Da gibt es Mönche und Waschfrauen in einem Bild vereint.

 

Auch im Gemälde Landschaft mit Reisenden kommt der neue Trend zum Ausdruck. Auch hier ohne jeden biblischen Hintergrund, sondern nur eine Landschaft als Hauptmotiv. Dieser fügt der Künstler dann nicht religiöse oder mythologische Figuren hinzu, sondern ganz normale Menschen. In diesem Fall sind es Reisende.

 

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Marco Ricci (1676-1730). Capriccio con rovine romane, 1720. Kunsthaus Zürich.

 

 

 

 

Capricci – die Freiheit des Künstlers

 

Zur Palette von Marco Riccis Künsten gehören neben Landschaften und Veduten auch so genannte >Capricci. Darunter versteht man Darstellungen, die frei erfunden sind.

 

Zum Beispiel können das auch Bauten sein, die zwar real existieren, aber nicht dort, wo sie abgebildet sind. So kann das eine Bauwerk in Rom stehen und das andere in Florenz – auf dem Gemälde werden sie zusammen komponiert.

 

Der Kunsthistoriker >Giorgio Vasari formulierte im 16. Jahrhundert ein Capriccio als ein Werk, das «dem Kunstverständnis seiner Zeit widerspricht». Heute definiert man den Begriff Capriccio eher als einen «spielerischen, lustvollen Regelverstoss».


 

Marco Ricci (1676-1730). Capriccio con rovine romane, 1720. Detail. Kunsthaus Zürich.

 

 

 

 

Riccis «Rovinismus»


Eigentlich kommt der Begriff in der Kunstgeschichte offiziell nicht vor. Rovinismus ist eine Ableitung des italienischen Wortes rovine (deutsch Ruinen).

 

Unter dem Begriff «Ruinenstil» versteht man das Malen von Ruinen. Marco Ricci ist ein Vertreter dieses Stils. Bekannt für seine Landschaftsmalerei und Bühnenbilder, malt er auch gerne und gekonnt Ruinen. Dabei nimmt er antike Bauten als Vorlage, die in der Realität noch komplett intakt sind. Ricci verpasst ihnen dann einen «Ruinen-Look».

 

 

 

Marco Ricci (1676-1730). Rehearsal of an opera, 1709. Yale Center for British Art, New Haven.

 

Riccis Einfluss auf Londons Theaterleben

 

Er wird als einer der ersten professionellen Bühnenbildner betrachtet. In England entwirft er ab 1708 Bühnenbilder für verschiedene Opern- und Theaterproduktionen. Mit seinen barocken Bühnenbildern bereichert er das Theater-Erlebnis und begeistert das Londoner Publikum.

 

Das Gemälde Rehearsal of an Opera ist eines seiner bekanntesten Werke, die in London enstehen. Es zeigt eine Opernprobe auf einer Bühne. Die Musiker treten in ihrer ganzen barocken Pracht auf – obwohl es sich nur um eine Probe handelt. Möglicherweise meint der Künstler das ironisch und macht sich darüber lustig.

 

 

 

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