Kabinettausstellung Sophie Taeuber,
Textilreformerin, Kunstmuseum Thun 17.8.-1.12.2024
Als Avantgarde- und Dada-Künstlerin kennt man sie, und auch als Gattin von Hans Arp. Aber wer weiss schon, dass >Sophie Taeuber in ihrer Frühzeit auch soziale Projekte unterstützte?
Zum Beispiel das gemeinnützige Projekt «Klöppelindustrie», das Frauen im Lauterbrunnental die Möglichkeit eröffnete, mit dem Klöppeln in Heimarbeit Einkünfte zu erzielen. Initiiert wurde das durch eine Lehrkollegin Sophie Taeubers an der Gewerbeschule Zürich, Alice Frey-Amsler, im Jahr 1911. Die Ausstellung in Thun zeigt nun kürzlich entdeckte Entwürfe von Klöppel-Mustern made by Sophie Taeuber.
Sophie Taeuber (1889-1943)
als junge Stickerin.
Im Zentrum der Ausstellung stehen neu entdeckte
Muster von 1915 für die Klöppelheimarbeit im Lauterbrunnental. Die abstrakt-figurativen Konzepte zeigen sich von historischen Textilien inspiriert, die Sophie Taeuber als Schülerin am Industrie- und Gewerbemuseum St. Gallen studieren konnte.
Die Ausstellung in Thun gibt auch Einblicke in die
Kindheit Taeubers in Trogen, in ihre Ausbildung zur Textilentwerferin in St. Gallen an der neu gegründeten Stauffacher-Schule und der Zeichnungsschule für Industrie und Gewerbe, ihre Studien an deutschen Reformschulen, den Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte und freie Kunst in München und der Kunstgewerbeschule in Hamburg, sowie ihre Zeit als Lehrerin in der Abteilung Kunstgewerbe für Entwurf und Sticken an der Gewerbeschule Zürich.
Ab 1916 arbeitete sie als Lehrerin an der Gewerbeschule Zürich – zwölf Jahre lang. 1922 heirateten Sophie und >Hans Arp. Die Arbeit in Zürich an der Gewerbeschule bildete für längere Zeit die finanzielle Basis für das Künstlerpaar.
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Titelbild (Ausschnitt)
Sophie Taeuber (1889-1943).
Klöppelmuster Nr. 666, 1915. Blaupause.
Verein Klöppelindustrie Lauterbrunnen.
Sophie Taeuber (1889-1943). Klöppelmuster
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Von der Orthogonale zur Abstraktion
Diese Kabinettausstellung befasst sich mit dem frühen textilen Schaffen von Sophie Taeuber, das von der Ostschweizer Stickerei- und Spitzenindustrie ausgeht.
Bereits 1915 übertrug Sophie Taeuber erstmals die orthogonale Struktur von Textilien auf radikale vertikal-horizontale Flächenkompositionen.
Was ist eine orthogonale Struktur bei Textilien? Das bezieht sich auf die Anordnung von Fasern oder Fäden, bei der diese rechtwinklig zueinander verlaufen. Diese Struktur ist besonders relevant für technische Textilien. In der Textilkunst kam es deshalb früher zu abstrakt-konkreten Formen mit geomentrischen Mustern als in der Malerei – nämlich bereits in den 1910er-Jahren.
Drei florale Klöppelmuster von Sophie Taeuber sind erhalten geblieben. Zwei Muster wurden auf verschiedene Kreis- und Ovalformen adaptiert.
Beim symmetrischen Modell einer Blüte im Schnitt knüpfte die Künstlerin an einen Typus an, den historische Mustersammlungen der Gewerbeschule Zürich veranschaulichen und geometrisierte ihn. Vom «modernsten» der drei Muster, das orthogonal abstrahierte Glockenblumen als Bild zeigt, existiert eine einzige Zeichnung.
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Sophie Taeuber (1889-1943). Vogel, Mittelstück für eine Decke, 1921, Entwurf.
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Wettbewerbs-Entwurf
An der Ausstellung in Thun ist auch ein Entwurf für eine Decke zu sehen, mit dem sich Sophie Taeuber 1921 am «Wettbewerb für eine neuartige Weissstickerei» des Entwerfervereins St. Gallen
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Sophie Taeuber (1889-1943). Kapuzinerkresse, 1910.
Sophie Taeuber-Krüsi (1854-1908). Tropaeolum majus, 1873. Bleistift und Aquarell auf Papier. Privatrbesitz. |
Blumenmalerei von Mutter und Tochter
Abseits der Textilkunst zeigt die Ausstellung auch noch zwei Blumengemälde. Und gibt eine Idee, wie die junge Sophie das Kunstwerk von ihrer Mutter Sophie Taeuber-Krüsi gelernt haben könnte.
Gibt es irgend eine Verwandtschaft zwischen Sophie Taeuber-Krüsi (der Mutter von Sophie Taeuber) und dem naiven Appenzeller Maler Hans Krüsi?
Wohl eher nicht, die beiden sind nicht direkt verwandt, aber eine entferntere Verbindung ist auch nicht völlig auszuschliessen.
Interessante Parallelen lassen sich immerhin erkennen: Sophie Taeuber-Krüsi (1854-1908) stammte aus einer Apothekerfamilie in Heiden AR. Der Nachname Krüsi war ihr Geburtsname. Sie war auch künstlerisch tätig, sie zeichnete, malte, schnitzte und fotografierte. Hans Krüsi (1920-1995) wurde als uneheliches Kind von Emma Krüsi geboren und wuchs in Speicher auf. Beide haben also einen Bezug zum Appenzellerland.
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>Ausstellung Sophie Taeuber, Thun 2024 (PDF)
>Saalblatt der Ausstellung Sophie Taeuber, Thun 2024 (PDF)
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