Ausstellung «Albert Welti und die Grafik
des Fantastischen». Kunsthaus Zürich
vom 15.11.24 bis 9.2.2025.

 

 

Albert Welti (1862-1912) –
Meister der Kaltnadeltechnik

 

 


 

Der Zürcher Künstler Albert Welti (1862-1912) hat sich nicht in erster Linie einen Namen als Radierer gemacht – besser bekannt ist er für seine künstlerischen Visionen von Traumwelten und seinen symbolistischen Stil.

 

Welti kommt am 18. Februar 1862 in Zürich zur Welt. Nach einer kurzen Ausbildung in Fotografie studiert er von 1882 bis 1886 an der Akademie der Bildenden Künste in München. Ein Meilenstein in seiner Karriere ist die Begegnung mit dem berühmten Basler Symbolisten >Arnold Böcklin im Jahr 1885. Von 1888 bis 1891 arbeitet er in dessen Atelier und orientiert sich an Böcklins symbolistischer Bildgestaltung.

 

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In seinen Radierungen beschäftigt sich Albert Welti vor allem mit Themen, die ins Fantastische, Träumerische und Symbolische reichen. Er lässt seiner Fantasie und seiner Fabulierlust freien Lauf, zeigt Hexen, Amazonen und andere mythologische Gestalten. Dabei schöpft er aus dem Schatz von Märchen, Sagen und Legenden.

 

Die Grafische Sammlung des Kunsthauses Zürich

verfügt über den grössten Bestand an Druckgrafiken Albert Weltis. Die Ausstellung zeigt eine prächtige Auswahl seiner bekanntesten Werke. Darunter sind fantastische Kompositionen von schier unglaublichem Detailreichtum. Geschaffen mit einer starren Nadel, die keinerlei Korrekturen – wie etwa bei einer Zeichnung – zulässt. Beeindruckend.


Die Ausstellung präsentiert aber auch Werke von weiteren berühmten Radierern wie Francisco de Goya, Giovanni Battista Piranesi, Odilon Redon, Max Klinger, Eugène Delacroix oder James Ensor und stellt diese in einen Zusammenhang mit Weltis Werken.

 

 

Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828).

Linda maestra! (estampa 68 de la serie Los Caprichos), 1799. Radierung, Aquatinta und Kaltnadel auf Papier. Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung.

 

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Giovanni Battista Piranesi (1720-1778).
Scale e arcate con fumo bianco (tavola 6 della serie Carceri d'invenzione), 1749. Radierung und Kupferstich auf Papier. Grafische Sammlung ETH Zürich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild

Albert Welti (1862-1912). Amazonenkampf,
1888. Radierung auf Papier. Kunsthaus Zürich,
Grafische Sammlung.

 

 

 

 

 

 

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>Druckgrafik und Albrecht Dürer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Albert Welti (1862-1912). Amazone auf der Lauer, 1889. Radierung, Kaltnadeltechnik. Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung.

 

Albert Welti
(1862-1912). Neujahrskarte Teufelsbrücke, 1902. Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung.

 

 

Grafische Kunstwerke vom Feinsten

 

Weltis Druckgrafiken gehören zu den bedeutendsten der Schweizer Grafik. Er beherrschte die Radiertechnik in meisterhafter Weise und experimentierte mit verschiedenen Techniken wie >Kaltnadel und Ätzradierung. Dabei schuf er Radierungen in allen Grössen, von kleinen Neujahrskarten bis zu repräsentativen Grossformaten. Besonders seine Grusskarten genossen zu seiner Zeit grosse Popularität.

Weltis Darstellungen von Traum- und Fantasiewelten faszinieren durch ihren Detailreichtum. Das ist umso bemerkenswerter, als sie nicht nur gezeichnet sind, sondern unter Verwendung der Kaltnadel gestochen wurden. Jeder Strich muss sitzen – Korrekturen sind unmöglich.

 

Das Motiv wird direkt in die blanke Metallplatte geritzt (Kupfer oder Zink). Durch unterschiedlichen Druck mit der Kaltnadel entstehen Linien verschiedener Tiefe und Breite. Das beim Stechen verdrängte Material bildet feine Grate zu beiden Seiten der Rillen. Feine Gratwürfe erzeugen beim Druck samtige Tonwerte und Verschattungen;
breite Linien können mehr Farbe aufnehmen und erscheinen beim Druck dunkler.

 

 

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Albert Welti
(1862-1912). Walkürenritt, 1890. Radierung. Grafische Sammlung Kunsthaus Zürich.

 

Vorzeichnung zur Radierung Walkürenritt, 1890. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen.

 

Weltis Faszination für Pferde

 

Diese Faszination ist kein Zufall. Sie hat damit zu tun, dass Albert Welti aus der (heute noch) bekannten Zürcher Familie Welti-Furrer stammt. Sein Vater war der Gründer des berühmten Transport-unternehmens, das damals noch mit Pferdekutschen betrieben wurde. Nicht weniger als achtzig Pferde und Dutzende von Fuhrwerken standen an der Zürcher Bärengasse am Sitz des Unternehmens. Albert Welti hatte also jede Menge Anschauungsmaterial.

 

Seine Pferdedarstellungen sind voller Dynamik und Dramatik, wie beim Walkürenritt von 1890 oder beim ebenso bekannten Werk Amazonenkampf von 1888 (siehe Titelbild).

 

Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich gibt auch einen Einblick in die Arbeitsweise Weltis. Für das Werk «Walkürenritt» erstellte der Künstler zuerst eine Vorzeichnung mit Bleistift und Kohle auf Papier. Nach dieser Vorlage fertigte er dann im Kaltnadel-Verfahren die Druckplatte für die Radierung. Auffallend sind die extrem feinen und detailliert ausgeführten Striche – jeder einzelne mit der Kaltnadel direkt auf die Platte gestochen...!

 

Gut erkennbar, dass sich das Geschehen auf der Vorzeichnung von links nach rechts abspielt. Nach dem Stechen der Platte und dem Druck wird dann die Radierung seitenverkehrt abgebildet.

 

 

Albert Welti (1862-1912). Die Fahrt ins 20. Jahrhundert. 1899-1900. Radierung auf Papier. Grafische Sammlung Kunsthaus Zürich.

 

 

Detail.
 

 

Detail.

 

Die Angst vor dem 20. Jahrhundert

 

Die «Fahrt ins 20. Jahrhundert», entstanden 1899 oder 1900, ist eine der bekanntesten Druckgrafiken Weltis – und auch eine der grössten (40 x 63 cm).

 

In ihr zeichnet der Künstler ein düsteres Bild zum Jahrhundertwechsel. Das Werk wirft einen ziemlich pessimistischen Blick auf die Gesellschaft an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Es suggeriert (vielleicht), dass die Menschheit sich trotz allen Fortschritts nicht zum Guten entwickeln wird.

 

Eine überfüllte Holzbrücke – gestützt von nackten, monströsen Figuren – symbolisiert den Übergang ins neue Jahrhundert. Die Zugmaschine rollt nach links, angetrieben von einem Hybridwesen mit reptilartigem Schwanz und menschlichem Gesicht. Das Ganze wird «gesteuert» von zwei Herren im Zylinder. Der offene Wagen ist überfüllt mit jubelnden und gleichzeitig bangenden Menschen. Eine nackte Frauenfigur steht auf einem Mauervorsprung und beleuchtet die Szene – sie symbolisiert die neu entdeckte Elektrizität. Rechts im Bild steigt ein Greis unsicher eine Steintreppe hinab und trifft dort auf Leichen.

 

Die Komposition ist ein Wimmelbild, das zahlreiche Einzelszenen zu einem Gesamtwerk verwebt. Die Details sind unfassbar fein verarbeitet.

 

 

 

Albert Welti (1862-1912). Der Ehehafen, 1906. Radierung und Kaltnadel auf Papier. Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung.

 

Nach Jungfrauen fischen...

 

Nach Jungfrauen fischen

 

Was für ein überwältigendes Bildwerk! Welti sticht es 1906 in Kaltnadeltechnik. Die Radierung trägt den Titel Der Ehehafen und ist ein Musterbeispiel für die unfassbare Detailfülle, mit der er gearbeitet hat.

 

Ein Gewimmel von Menschen in allen Lebenslagen rund um die Ehe. Ort der Handlung ist eine Art Schlucht mit einem wasserfallähnlichen Gewässer, an dessen unterem Ende in einem See Fischer in Booten nach ledigen Frauen angeln. Einer zerrt eine nackte Jungfrau an den Haaren ins Boot, ein anderer (rechts aussen) hat gerade eine dieser Nymphen in seinem Netz gefangen, und in einer weiteren Szene scheint sich eine der Frauen freiwillig ins Boot zu hieven. Die ganze Szenerie steht unter Beobachtung einer gewaltigen Zuschauermenge, die dass makabre Geschehen gebannt verfolgt.

 

Im oberen Bereich sind häusliche Szenen dargestellt, von Hausbau bis Wäschewaschen. Und in der kleinen Kirche rechts findet gerade eine Taufe statt. Jedes dieser Sujets ist detailliert ausgearbeitet. Schier unglaublich, denn das ist alles nicht gezeichnet, sondern mit der Kaltnadel gestochen.

 

>Detailansichten «Der Ehehafen» (PDF)

 

 

Albert Welti
(1862-1912). Walpurgisnacht, 1896-97. Tempera auf Holz. Kunsthaus Zürich, Gottfried Keller-Stiftung.

 

Albert Welti
(1862-1912). Walpurgisnacht (Hexensabbat), 1897. Radierung, Kaltnadel und Pinsel in Gelb auf Papier. Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung.

 

Welti und die germanische Sagenwelt

 

Das Sujet «Walpurgisnacht» produziert der Künstler in zahlreichen Varianten. Die germanische Sagenwelt scheint ihn fasziniert zu haben, wie Weltis Sohn, der Maler und Schrifsteller Albert Jakob Welti (1894-1965) festhielt: «Mit diesem Motiv löste sich mein Vater von den antiken Themen und wandte sich frei der ihm gemässeren germanischen Sagenwelt zu».

 

Was bedeutet Walpurgisnacht? Es ist eine traditionelle Feier, die in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai stattfindet. Der Name leitet sich von der heiligen Walburga ab, einer christlichen Missionarin aus dem 8. Jahrhundert (Gedenktag 1. Mai).

 

Die Walpurgisnacht hat aber auch heidnische Wurzeln. In vorchristlicher Zeit feierten die Menschen in dieser Nacht Frühlingsriten, um den Winter zu vertreiben. Dabei wurden Feuer entzündet, um böse Geister abzuwehren. In der Mythologie wird die Walpurgisnacht oft mit Hexen und Geistern assoziiert. Es heisst, dass sich in dieser Nacht Hexen auf dem Blocksberg (heute oft mit dem Brocken im Harz identifiziert) versammeln, um mit dem Teufel zu tanzen. Heute wird die Walpurgisnacht mehr als fröhliches Frühlingsfest gefeiert. Immer noch werden in vielen Regionen in der Walpurgisnacht grosse Maifeuer entzündet, um den Winter zu vertreiben und böse Geister fernzuhalten.

 

Die Radierung Hexensabbat bearbeitete Welti nachträglich mit Pinsel und orange-gelber Farbe, «weil sich alles darüber beschwerte, dass sie so dunkel war».

 

 

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Ausstellung Welti-Grafiken 2024

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