«Unbekannt» klingt fast beleidigend, denn ist er ja weltberühmt. Er ist der Star unter den Konkreten und Konstruktiven. Seine Kompositionen hängen nicht nur in den besten Museen dieser Welt, teuer erworbene Sammlerstücke zieren auch die Wände zahlloser Büros in Chefetagen. Mondrians unverkennbares Markenzeichen: Geometrisches mit schwarzen Linien und farbigen Flächen.
Piet Mondrian (1872-1944). Tableau
No 1 mit Rot, Blau, Gelb, Schwarz und
Grau, 1920-25. Beyeler, Riehen-Basel.
Und doch gibt es diese «unbekannte Seite» des Künstlers. Die Ausstellung in der Fondation Beyeler zeigt einen anderen Mondrian, als den ihn die Kunstwelt kennt: Den frühen Mondrian, der in seinen Anfängen traditionelle Landschaften malt und danach mit zahllosen Stilen experimentiert. Erst relativ spät – da ist er schon fast fünfzig – findet er zu seinem eigenen Stil im Rahmen der konkreten Kunst. Er selbst bevorzugt dafür den Begriff >konstruktive Kunst.
Die in der Ausstellung gezeigten Werke spannen den weiten Bogen von seinen Anfängen in den Niederlanden bis zum Höhepunkt seines Schaffens als international anerkannter Star in New York.
Ausstellungsplakat.
Piet Mondrian kommt 1872 in Amersfoort in der niederländischen Provinz Utrecht zur Welt. Bei seinem Onkel Frits Mondriaan erhält er Zeichenunterricht. Dann studiert er Kunst an der Rijksakademie in Amsterdam. Ab 1900 gehört er der Haager Schule an, die sich dem Impressionismus verschrieben hat. 1911 zieht er nach Paris und setzt sich unter dem Einfluss von Picasso und Braque auch mit dem Kubismus auseinander.
Piet Mondrian, Selbstporträt mit
36 Jahren. Kohle und Kreide, 1908.
Kunstmuseum Den Haag.
Piet Mondrian (1872-1944).
Zeeländer Kirchturm in Domburg,
1911. Kunstmuseum Den Haag.
Titelbild (Ausschnitt)
Piet Mondrian (1872-1944).
Bosch (Wald) bei Oele, 1908.
Kunstmuseum Den Haag.
Piet Mondrian (1872-1944). Frau mit Spindel, 1893-96. Pace Gallery.
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1893: Start mit niederländischen Motiven
In diesem traditionellen niederländischen Stil malt Mondrian während seiner Studienzeit. Das Gemälde heisst «Frau mit Spindel». Aber hält sie wirklich eine Spindel, oder ist sie beim Kartoffelnschälen? Im Hintergrund ist eine geflieste Wand zu erkennen, die in ihrer Struktur an seine späteren geometrischen Werke erinnert. Ob er schon damals solche Formen im Kopf hatte? Später sagt er einmal, er wolle das Naturvorbild so weit abstrahieren, dass «nur die Essenz des Bildes übrig bleibe».
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Piet Mondrian (1872-1944). Bauernhaus mit Wäsche auf der Leine, 1897. Kunstmuseum
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1897: Bauernhäuser und weisse Wäsche
Noch ist Mondrian von der Den Haager Malschule beeinflusst. Ein beliebtes Thema sind Bauernhäuser. Meist werden sie mit regenverhangenem Himmel gemalt. In diesem Werk will Mondrian aber auch das Sonnenlicht zeigen. Dazu bedient er sich eines bekannten Tricks der niederländischen Kunst aus dem 17. Jahrhundert: Um Licht und Sonne anzudeuten, malte man weisse Wäsche, die zum Trocknen aufgehängt oder zum Bleichen auf dem Boden ausgebreitet war.
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Piet Mondrian (1872-1944).
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1908: Windmühle pointillistisch
Windmühlen sind niederländische Wahrzeichen. Mondrian malt sie immer und immer wieder. Anfänglich naturalistisch, dann experimentiert er mit verschiedenen Stilen.
Bei dieser Version bedient er sich des >Pointillismus, einer Unterform des Divisionismus, bei dem das Bild in zahllose Punkte unterteilt wird. Als Begründer des Pointillismus gilt der Franzose >Paul Signac (1863-1935), der den Divisionismus weiter entwickelte. Dieser war von >Georges Seurat (1859-1891) ins Leben gerufen worden.
Mit dem Pointillismus hält sich Mondrian nicht lange auf – er experimentiert weiter.
Bei der Winkel-Mühle im Sonnenschein lässt sich Mondrian vermutlich von Van Gogh inspirieren und zeigt sie in expressiven Gelb- und Rottönen und schon beinahe abstrakt.
Das Gemälde ist eines seiner berühmtesten aus dieser Zeit, kommt aber bei der Präsentation 1908 im Amsterdamer Stedelijk Museum nicht gut an. Im Gegenteil, es verursacht einen Skandal – und einer seiner Kritiker meinte, «wer so etwas male, müsse an Wahnvorstellungen leiden». |
Piet Mondrian (1872-1944). Composition No IX, Gemälde Nr II, Compositie 5, 1913. The Museum of Modern Art, New York. |
1913: Kubistische Werke
In der Zeit zwischen 1912 und 1914 beschäftigt sich Mondrian auch mit dem >Kubismus (obwohl diese Stilrichtung den Zenith eigentlich schon überschritten hat). Aber ihm geht es wohl mehr darum, alle Stilrichtungen ausprobiert zu haben.
In den Werken aus dieser Epoche nimmt der Künstler die grellen Farben zurück und beschränkt sich auf Grau-, Gelb- und Brauntöne, schafft dafür eine starke Formen- und Linienvielfalt.
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Piet Mondrian (1872-1944). Mühle am Abend, 1917. Kunstmuseum |
1917: Annäherung an die Abstraktion
Nach dem (kubistischen) Abstecher in die Welt des Ungegenständlichen verspürt der Künstler offenbar wieder Lust auf Gegenständliches.
Er produziert eine ganze Serie von Windmühlen in verschiedenen Farbtönen, verzichtet dabei aber auf Details und lässt sie als Silhouetten erscheinen. Am Schluss entsteht 1917 die Windmühle am Abend, die nun total verschattet daher kommt und zu einer flächigen Silhouette wird – an der Grenze zur Abstraktion.
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Piet Mondrian (1872-1944). Nr. VI, Komposition Nr. II, 1920. Tate London.
Piet Mondrian (1872-1944). Komposition mit Gelb und Blau, 1932. Fondation Beyeler, Riehen-Basel.
Piet Mondrian (1872-1944). Komposition mit Doppellinie und Blau, 1935. Fondation Beyeler, Riehen-Basel.
Piet Mondrian (1872-1944). New York City 1, 1941. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf.
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1920-1944: Mondrians konstruktive Kunst
Sie trägt verschiedene Namen: «Abstrakte Kompositionen», «Konkrete Kunst» oder wie der Künstler sie selbst nennt: «Neoplastizismus» oder «Konstruktive Kunst».
Ab 1920 hat sich Mondrian ganz vom Figürlichen getrennt und produziert ab jetzt vor allem geometrische Kompositionen. Bilder, die aus im rechten Winkel zueinander stehenden schwarzen Linien bestehen und dazwischen farbige Flächen enthalten, meist in den Grundfarben Rot, Blau, Gelb.
Der Künstler spielt jetzt alle denkbaren Varianten durch. Mal mit kleineren, mal mit grösseren Farbflächen, mal mit vielen Farben, mal mit nur einer oder zwei. In der Komposition Gelb und Blau aus dem Jahr 1932 bringt er scheinbar eine weitere Variante ins Spiel: Die weissen Flächen bestehen hier aus verschiedenen Weisstönen. Sicher ist das nicht, es könnte sich auch um eine optische Täuschung handeln.
Eigentlich wirken die Werke, wie wenn sie einem «geometrischen Gesetz» folgen würden, aber das ist nicht der Fall. Der Künstler lässt sich bei jedem einzelnen Bild von seinem eigenen Formempfinden leiten und sucht seine eigene Balance. Er soll auch auch auf jegliche Hilfsmittel wie Lineale verzichtet haben und ganz freihändig gemalt haben.
Eine Besonderheit weist die Komposition mit Doppellinie von 1935 auf: Sie enthält nur ein einziges Farbfeld (blau) und die schwarzen horizontalen Linien sind doppelt gezogen.
Die Varianten-Vielfalt der mondrianschen Werke scheint unerschöpflich. Einige der geometrischen Kompositionen sind quadratisch oder rechteckig angelegt, andere sind oval oder stehen auf dem Kopf, wieder andere sind nicht gemalt, sondern wie eine Collage mit farbigen Bändern konstruiert, wie z.B. New York City 1 aus dem Jahr 1941. Und manchmal weicht der Künstler auch von den Grundfarben Blau, Rot, Gelb ab und malt Flächen in Orange.
In seiner letzten Wahlheimat New York entstehen auch seine letzten Arbeiten. Hier stirbt Piet Mondrian am 1. Februar 1944 an einer Lungenentzündung im Alter von 72 Jahren. |
Fotos Ausstellung «Mondrian Evolution»
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