«Meine Eigenart besteht darin, dass ich Monumentalität mit Realismus verbinde», hat er einmal gesagt. 1898 sieht man das in Zürich allerdings anders. Ein Gutachten wirft ihm das Gegenteil vor: Dass sein Bildentwurf nicht den historischen Realitäten entspreche. Den Wettbewerb gewinnt er dennoch und erhält den Auftrag. Seine Monumentalbilder zum «Rückzug der Eidgenossen von Marignano» kann man heute noch in den Bogennischen des Landesmuseums in Zürich betrachten.
Ferdinand Hodler,
Selbstportrait 1912.
Kunsthaus Zürich.
Was war er nun? Ein Vertreter des Realismus, der Avantgarde, des Jugendstils? Oder ein Symbolist, ein Monumentalist, ein Expressionist? Er war alles zusammen. Am Anfang seiner Karriere war er sogar ein Vedutenmaler und kolorierte als Malergeselle Landschaftsbilder für Touristen. Doch der Reihe nach.
Ferdinand Hodler wächst in ärmlichen Verhältnissen in Bern auf. Bald wird er mit dem Tod konfrontiert. Als er sieben ist, stirbt sein Vater. Ein paar Jahre später die Mutter. Beide an Tuberkulose. Und die Schwindsucht, wie sie damals noch heisst, rafft mit der Zeit auch alle seine sieben Geschwister hin. Diese ständige Konfrontation mit dem Tod geht nicht spurlos an seinem künstlerischen Schaffen vorbei.
1871 zieht er als Achtzehnjähriger nach Genf, wird Schüler des Landschaftsmalers Barthélemy Menn. Hodler beweist Talent, muss als Künstler aber zunächst bös unten durch. Er lebt jahrelang im Elendsviertel von Genf am Rande des Existenzminimums, porträtiert andere Gescheiterte, tauscht Bilder gegen Mahlzeiten.
Aber gibt nie auf, setzt sich langsam durch. Und landet 1889 – da ist er schon 36 – seinen ersten Coup. Mit dem Bild «Die Nacht». Die Genfer Behörden verweigern diesem zwar aus «sittlichen Gründen» den Eingang in die Kunstausstellung. Dafür schlägt es in Paris ein. Und in Berlin und Wien. Hodler wird gefeiert.
Von jetzt an geht es aufwärts, er bekommt Ehrungen und Ausstellungen in Paris, München, Venedig. In Zürich gewinnt er den Wettbewerb für historische Monumentalgemäle im Landesmuseum. An der Weltausstellung 1900 in Paris gibts Goldmedaillen, in Berlin, Wien und München wird er Mitglied der «Secessionen». Und gilt jetzt als einer der führenden Maler in Europa. Seine finanzielle Situation wird komfortabel.
In Deutschland gibt es Rückschläge. Weil er einen Protestbrief mit unterschreibt, der sich gegen den Beschuss der Kathedrale von Reims durch die deutsche Artillerie richtet, wird er 1914 aus fast allen Künstlervereinigungen ausgeschlossen.
Dafür findet er in der Schweiz Anerkennung. Schon 1911 landen zwei seiner Motive auf den Franken-Noten: «Der Mäher» und «Der Holzfäller», 1913 verleiht ihm die Universität Basel das Ehrendoktorat, 1916 erhält er eine Professur an der Ecole des Beaux-Arts von Genf, und 1917 veranstaltet das Kunsthaus Zürich eine erste grosse Retrospektive.
Von 1912 bis 1918 ist Hodler Zentralpräsident der «Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer» GSMBA. Berühmt wird er dieser Funktion auch durch seine strikte Ablehnung von weiblichen Mitgliedern. Und ganz besonders für seinen diesbezüglichen legendären Spruch «Mir wei känner Wiiber».
Ferdinand Hodler stirbt am 19. Mai 1918 in Genf.
Titelbild (Ausschnitt)
Ferdinand Hodler (1853-1918).
Genfersee mit Mont-Blanc im Frühlicht, 1918.
Kunsthaus Zürich.
Ferdinand Hodler (1853-1918). Das Turnerbankett, 1876-78. Kunsthaus Zürich. |
1876: Das Turnerbankett – Realismus pur...
In jungen Jahren orientiert er sich an Realisten wie Gustave Courbet oder Camille Corot. Erst Mitte der 80er-Jahre entwickelt er seine eigenständige Form von Symbolismus.
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Ferdinand Hodler (1853-1918). Die Nacht, 1889-90. Kunstmuseum Bern. |
1889: «Die Nacht» bringt den Durchbruch
Nach langen mageren Künstlerjahren gelingt Hodler mit diesem Ölgemälde der grosse Coup. Es symbolisiert die Angst der Nacht und zeigt sieben Schlafende.
Der Künstler selbst ist auch darunter, ebenso Ehefrau Bertha und die Geliebte Auguste Dupin. Natürlich ein Skandal. Die Genfer Behörden verweigern die Zulassung zur Kunstausstellung.
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Ferdinand Hodler (1853-1918). Bildnis Berthe Jacques, 1894. Privatbesitz. Wiki Commons. |
1894: Bildnis Berthe Jacques
Berthe Jacques ist Hodlers zweite Ehefrau, die er 1897 ehelicht. Vorher war er zwei Jahre mit Bertha Stucki verheiratet (1889-91).
Beide Ehen bleiben kinderlos. Einen Sohn (Hector) zeugt er dafür mit seiner Geliebten Auguste Dupin, die schon seit 1884 sein bevorzugtes Modell ist.
Hodlers Beziehungsmodell zu Frauen ist
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Ferdinand Hodler (1853-1918). Madame Valentine Godé-Darel malade, 1914. Musée d'Orsay, Paris. |
...mit Valentine Godé-Darel zeugt er ein weiteres Kind, die Tochter Pauline. Godé-Darel erkrankt kurz danach an Krebs. Ihren Todeskampf hält der Künstler in zahlreichen Gemälden fest, hier
Die Tochter Pauline wird während der Krankheit ihrer Mutter von Hodlers Ehefrau Berthe Jacques aufgezogen und später von ihm adoptiert. Sie wird auch Malerin: Pauline Valentine Magnenat-Hodler.
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1898: Marignano im Landesmuseum Zürich
Hodler nimmt am Wettbewerb zur Freskierung der Nischen an der Waffenhalle des Landesmuseums teil und bekommt den Auftrag. Allerdings nicht ohne Streiterei.
Der Direktor des Museums ist gegen seine Entwürfe. Zu avantgardistisch, man möchte lieber etwas Klassisch-Realistisches. Schliesslich reist eine Delegation des Bundesrates nach Zürich, um die Sache abzusegnen.
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Wahrheit I.
Wahrheit II.
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1902: Die Wahrheit – fertig oder nicht?
Die nackte Frau symbolisiert die Wahrheit, vor der die dunklen Mächte fliehen müssen. Hodler hat dieses Sujet zweimal gemalt. Die erste Fassung 1902, Version II 1903. Beide sind im Besitz des Kunsthauses Zürich.
Die erste Fassung sieht eher wie ein rudimentärer Entwurf aus, die zweite dagegen ist fein ausgearbeitet.
>mehr über die Wahrheit I und II
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Ferdinand Hodler (1853-1918). Juengling vom Weibe bewundert, 1903. Kunsthaus Zürich.
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1903: Jüngling vom Weibe bewundert
Im Hodlersaal des Kunsthauses Zürich. Der bewunderte nackte Jüngling und vier leicht verschämt über die Schulter guckende Frauen.
Was will uns der Künstler damit sagen?
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Le bucheron, 1910. Musée d'Orsay, Paris.
50-Franken-Note
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1910: Der Holzfäller
Eines seiner bekanntesten Themen, ein Ikone. Hodler hat das Motiv in 18 Versionen verarbeitet. Diese hier – ein Aquarell – ist im Musée d'Orsay in Paris zu sehen.
Ursprung der Idee ist ein Auftrag der Schweizer Nationalbank. Hodler erhält den Auftrag, die Illustrationen für die 50- und 100-Franken-Note zu liefern. Die Vorgabe: Sie soll einen Bezug zur Landarbeit haben. Hodler entscheidet sich für Mäher und Holzfäller.
Die 50-Franken-Note mit dem Holzfäller kommt 1911 auf den Markt. Gedruckt wird sie in London bei Waterlow. Bis 1958 bleibt sie im Umlauf, seit 1978 ist sie «wertlos» (gemäss Nationalbank, aber natürlich nicht für Sammler).
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1911: Das Jungfraumassiv von Mürren aus
Mit seinen expressionistischen Alpenbildern macht sich Hodler zu einem der bedeutendsten und erfolgreichsten Landschaftsmaler.
Ferdinand Hodler (1853-1918). Das Jungfraumassiv von Mürren aus, 1911. Kunst Museum Winterthur Reinhart am Stadtgarten. |
Ferdinand Hodler (1853-1918). Genfersee mit Mont-Blanc im Frühlicht, 1918. Kunsthaus Zürich.
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1918: Genfersee mit Mont-Blanc im Frühlicht
Hodlers Bilder des Lac Léman kommen an. Dieses hängt im Kunsthaus Zürich.
Ein anderes war das Erfolgreichste: «Der Genfersee von Saint-Prex aus» erzielt an einer Auktion von Sotheby über 10 Millionen Franken. Aus Sicht des Künstlers leider etwas spät, erst 2007. |
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Fotos / Diashow
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Sonderausstellungen |
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Apropos Hodler Die Ausstellung zeigt 60 Hodler-Werke und versucht, diese in einen Kontext zu Werken von zeitgenössischen Künstler:innen zu stellen. Vier Themenkreise sollen ein Band schmieden: Landschaften, Körperlichkeiten, Zugehörigkeiten, Rätselhaftigkeit. 8.3. bis 30.6.2024. |
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Hodlers Holzfäller Kunstmuseum Luzern 2021/2022 |
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Hodler und der Parallelismus Kunstmuseum Bern 2018/2019 |
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Marignano 1515 im Kunsthaus Zürich 2015/2016
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