Jeden Dienstag treffen sich über Mittag Kunstfans im Kunsthaus Zürich – und kompetente Expertinnen und Experten erläutern die Finessen einzelner Werke.
Der Kurs findet zweimal jährlich statt. Im Frühjahr von März bis Juni, im Herbst von September bis Dezember. Je zwölf Wochen.
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Die Reports auf dieser Seite sind keine «offiziellen Bildbesprechungen» der Referent:innen, sondern subjektive persönliche Wiedergaben des Gehörten, Gesehenen und Erlebten durch die Autor:innen von artfritz.ch.
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5. Dezember 2017, Referentin Gaby Lutz Peter Paul Rubens (1577-1640). Heilige Familie, 1628.
Ein typisches «Andachtsbild» mit wenigen Figuren und einem biblischen Motiv, ausgeführt in flämischem Barock. Es zeigt eine Ruhepause der heiligen Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten, wie sie im Matthäusevangelium beschrieben ist. Ein Engel hatte im Traum Josef gewarnt, dass Herodes das Jesuskind töten wolle. Er befahl ihm, mit Maria nach Ägypten zu fliehen und dort auf weitere Nachrichten zu warten. Rubens nimmt die Reise nach Ägypten nicht wörtlich. Er malt keine Wüste, sondern versetzt die Szene in seine flandrische Heimat mit Wiesen, Bäumen und einem Bauernhaus mit Reetdach. Die liebliche Gegend soll das Paradies symbolisieren. Dieses verkörpert auch der Engel mit dem Früchtekorb (z.B. mit dem Apfel vom Baum der Sünde). Die Szenerie Engel, Maria und Kind ist als Dreieck aufgebaut, wie es der italienische Spezialist für Madonnenbilder, Raffael, zu tun pflegte. Josef am Rande des Bildes wird bloss die Rolle eines Betrachters zuteil.
Der mächtige Goldrahmen in französischem Stil stammt aus dem 18. Jahrhundert. Das Gemälde kam erst 1986 ins Kunsthaus Zürich, dank der Vermittlung durch die Ruzicka-Stiftung.
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28. November 2017, Referent Reto Bonifazi Otto Meyer-Amden (1885-1933). Vorbereitung, 1925.
Das Werk «Vorbereitung» zeigt Kinder im Esssaal des Burgerlichen Waisenhauses in Bern vor dem Gebet. Otto Meyer-Amden interessierten vor allem Momente zwischen Alltag und Andacht. Er suchte nach einem neuen Menschenbild. Seine zentrale Frage lautete: Wohin bewegt sich der Mensch in seinem Leben?
Sein Schaffen wurde geprägt vom Rhythmisierung: Ein gleicher Geist durchdringt alle Dinge und Erscheinungen (Hodler).
Otto Meyer kam nach dem frühen Tod seiner Mutter im Jahre 1888 zu einer Pflegefamilie. 1892 bis 1900: Aufenthalt im Burgerlichen Waisenhaus in Bern. Er absolvierte 1901 bis 1903 in Bern und 1903 bis 1906 in Zürich eine Ausbildung zum Lithographen. 1906/1907 Studium an der Kunstakademie in München. 1907/1908 wechselte er an die Stuttgarter Kunstakademie und wurde dort Meisterschüler von Adolf Hölzel. Mit Oskar Schlemmer pflegte er eine Freundschaft. 1912 bis 1928 lebte er in Amden, dann bis 1933 in Zürich.
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21. November 2017, Referentin Susanne Huber Constantin Brancusi (1876-1957). L'oiseau dans l'espace, 1925-31.
Brancusi ist ein rumänisch-französischer Bildhauer, dessen Ziel es war, von der wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe wegzukommen, indem er die Formen reduzierte. Er war auf der Suche nach der perfekten Form. Sein Bestreben war es, «alle Formen zu einer Form» zu verdichten. Es ging ihm nicht um die äussere Erscheinung, sondern um die Essenz, um das Wesen der Dinge. Eines seiner Lieblingsmotive waren Vögel. Hier versuchte er, mit seinen Skulpturen die Aufhebung der Schwerkraft, das Fliegen, abzubilden. Er schuf 30 Vogelskulpturen aus Bronze und Marmor und durchlief dabei drei Phasen. In der ersten sind die Vögel noch als solche zu erkennen (Brust, geöffneter Schnabel), in den folgenden werden die Formen immer abstrakter und mehr und mehr himmelwärts zeigend, immer schlanker.
Der besprochene «Vogel im Raum» aus grau-blauem Marmor weist kaum noch sichtbare Merkmale eines Vogel auf. Geblieben ist eine aufwärts strebende, schlanke Abstraktion. Die Marmorskulptur wird im Inneren von einem 1.2 cm dicken Messingstab gestützt. Der dreiteilige Sockel unterstützt den Aufwärtstrend. Schon im Holzteil weist die Maserung nach oben. Das griechische Kreuz aus Marmor könnte ein Hinweis auf den «Espace» sein, in alle vier Himmelsrichtungen zeigend. Dieses stammt aber nicht von Brancusi, sondern vom Münchner Künstler Jürgen Partenheimer (*1947), der auch den Holzsockel geschaffen hat.
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14. November 2017, Referent Daniel Näf Adriaen Coorte (ca. 1664- 1707). Spargelbund mit Kirschen und Schmetterling, 1693-95.
Man weiss nur wenig über diesen niederländischen Maler, der auf Stillleben spezialisiert war. Er arbeitete in der Gegend von Middelburg und hinterliess nur gerade 64 Werke. Es ist deshalb auch nicht sicher, ob er ein Berufsmaler war. Stillleben waren in jener Zeit eben erst aufgekommen; Auftraggeber waren wohlhabende Kaufleute, die solche Gemälde zur Ausschmückung ihrer Wohnungen kauften. Hohe Preise konnten damit nicht erzielt werden.
Das besprochene Werk (Öl auf Papier auf Holz) ist sehr klein. Coorte hat es auf Papier gemalt, weil sich so feine Nuancen herausarbeiten lassen – besser als auf Leinwand. Das ist bei den Spargeln und beim Schmetterling gelungen, die roten Kirschen hingegen sind ziemlich flach geraten. Coorte hat eine Maltechnik angewandt, wie man sie von den alten deutschen Meistern kennt: Es ist eine Mischtechnik von Tempera und Öl nach dem Grundsatz «fett auf mager», das heisst Grundierung in Tempera und darüber das Ölgemisch. Das Werk ist nicht signiert, aber mit den Initialen AC versehen. |
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7. November 2017, Referentin Andrea Sterczer Hans Asper (1499-1571). Bildnisse von Leonhard Holzhab und Cleopnea Krieg, 1538.
Der Zürcher Maler lebte in einer schwierigen Epoche: durch die Reformation war die Auftragslage für religiöse Bilder auf null gesunken. Er konzentrierte sich notgedrungen auf die Porträtmalerei, aber auch hier kamen die Bestellungen nur spärlich. Bei den besprochenen Bildern des Leonhard Holzhab und seiner Gemahlin Cleopnea geht man davon aus, dass sie ohne konkreten Auftrag gemalt wurden – oder dass der Besteller der Bilder mit der Arbeit nicht zufrieden war und die Annahme verweigerte. Gesichert ist jedenfalls, dass das Bild der Cleopnea noch Jahre nach der Fertigstellung im Besitz des Künstlers blieb. Hans Asper schaffte es nie, von seiner Kunst zu leben und starb mit 72 in Armut.
Der abgebildete Leonhard Holzhab war ein Zürcher Textilunternehmer mit hohem Ansehen. Er war Zunftmeister und Ratsherr, von 1609 bis zu seinem Tod 1617 sogar Bürgermeister von Zürich. Die Abbildung zeigt ihn elegant gekleidet und mit Schwert. Seine Gattin Cleopnea – sieben Jahre älter als er – war sich ihrer Stellung und Bedeutung ebenfalls bewusst. Das Bild legt nahe, dass sie sich als Vermittlerin verstand. Symbolisch dargelegt in den Gegensätzen Hund und Katze, und weiter verdeutlicht mit dem Gürtel, den sie trägt. Auf diesem sind Hände sichtbar, die eine Vereinbarung besiegeln. |
Die Wahrheit I.
Die Wahrheit II. |
31. Oktober 2017, Referent Reto Bonifazi Ferdinand Hodler (1853-1918). Die Wahrheit I, 1902. / Die Wahrheit II, 1903.
Mit seinen Figurenbildern hatte Hodler zu kämpfen. Im doppelten Sinn. Erstens waren sie – im Gegensatz zu seinen Landschaftsbildern – schwer verkäuflich, und zweitens brauchte er viele Studien, Entwürfe und Korrekturen, bis ein Figurenbild fertiggestellt war. Er soll von sich selbst gesagt haben, dass er «kein begnadeter Zeichner» sei. Beim Gemälde «Die Wahrheit I» scheint er seinen Entwurf deshalb direkt in Grossformat umgesetzt zu haben. Dass es ein rudimentärer Entwurf sein könnte, lässt das Bild an diversen Stellen vermuten. Da sind Korrekturen zu sehen, Hände und Füsse sind nicht fertig bearbeitet, und einer der dunklen Männergestalten hat zwei rechte Arme.
Ganz anders «Die Wahrheit II». Hier ist alles viel feiner und naturalistischer verarbeitet. Und die zuvor undefinierten schwarzen Mächte werden zu einzelnen Männern mit Körpern. Es sind jetzt Individuen, die mit Furchtgebärden vor der Wahrheit fliehen, und zwar in alle Richtungen. So wie sich auch das Licht der Wahrheit in alle Richtungen ausbreitet.
Für die «Wahrheit» hat Hodlers zweite Ehefrau, Berthe Jacques, Modell gestanden. Sie ist aber keineswegs naturalistisch dargestellt, sondern klar symbolistisch. Hat Hodler die «Wahrheit I» wirklich als Entwurf gesehen? Diese Frage wird von den Kursteilnehmern diskutiert. Für die These spricht, dass das Bild nicht fertig wirkt, dagegen allerdings, dass Hodler das Werk signiert hat.
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24. Oktober 2017, Referentin Susanne Huber Alexandre Calame (1810-1864). L'éboulement (Der Bergsturz), 1841.
Eine sehr realistische, naturalistische Darstellung nach dem Bersturz, dem Sturm, dem Unwetter. Mit allen Details. Aber wo hat dieser Bergsturz stattgefunden? Im Kopf des Künstlers. Es ist eine Komposition. Calame hat verschiedene Touren in den Alpen unternommen (zum Beispiel im Raum Lauterbrunnen) und dabei Skizzen nach Hause gebracht, von Bergstürzen, von Felsen, Bäumen, Tälern. In seinem Atelier in Genf hat er diese dann zu einem Gemälde von eindrücklicher Stimmung werden lassen. Menschen kommen nur ganz unbedeutend vor, sie sind im Vergleich mit der Natur ein Nichts. Erst in der Vergrösserung erkennt man, dass es sich um einen sitzenden Vater mit Stock und seine Tochter handelt, die entsetzt auf die Schäden blicken, die das Unwetter angerichtet hat. Vom vorgestellten Gemälde gibt es vier Fassungen in Öl und eine in Aquarell. Während die erste Fassung von 1839 noch sehr düster und apokalyptisch daher kommt, zeigt das Bild von 1841 offene Täler und ein Fenster mit blauem Himmel als Lichtblick und der Aussage: das Leben geht weiter.
Alexandre Calame war der Sohn eines Marmorarbeiters aus Vevey. Bei François Diday nahm er Unterricht in Landschaftsmalerei. Seine Werke stellte er in Paris und Berlin aus. Alpenlandschaften blieben sein Spezialgebiet. Bekannt wurde Calame vor allem durch seine Gemälde von Alpenübergängen, die heute noch in diversen Ländern als Vorlagen für den Zeichenunterricht dienen.
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Sleeping Girl 1964
Arles 1992
Original VanGogh |
17. Oktober 2017, Referentin Stefanie Faccani-Baumann Roy Lichtenstein (1923-1997). Yellow Brushstroke, 1965, Oel auf Leinwand.
Auf den ersten Blick wirkt der Pinselstrich spontan, mit Schwung aufgetragen. Diese Wirkung wird durch die Farbspritzer verstärkt. Entstanden ist das Bild aber durch das Auftragen des Pinselstrichs auf einen Film aus Celluloseacetat, der auf die Leinwand projiziert und dann nachgezeichnet und ausgemalt wurde. Lichtensteins Ziel sei es gewesen, den übersteigerten Kult des Pinselstrichs in den Werken des Abstrakten Expressionismus ironisiert darzustellen.
Roy Lichtenstein studierte von 1940 bis 1943 bildende Kunst an der Ohio State University in Columbus. 1946-1950 setzte er seine Studien fort, zuletzt an der Art Students League in New York. Nach malerischen Anfängen geriet er 1957 unter den Einfluss des Abstrakten Expressionismus. 1961 fand er zu seiner eigenen Kunstsprache, die ihn zum Vertreter der amerikanischen Pop Art machte. Er verwendete Motive aus Comic Strips und Cartoons und aus dem Alltag. Nach berühmten Gemälden verschiedener Maler schuf er Popversionen. Seine Farben sind stark leuchtend und auf wenige Haupttöne beschränkt. Mit dem Kyoto-Preis wurde ihm 1995 eine der höchsten Auszeichnungen für Verdienste um Kultur und Kunst verliehen. (Text Ueli Kummer). |
Stillleben von Simon Pietersz Verelst (1644-1721). |
10. Oktober 2017, Referentin Stefanie Faccani-Baumann Andy Warhol (1928-1987). Big Torn Campbell's Soup Can, 1962. Acryl auf Leinwand.
Warhol fand, Kunst solle sich nicht nur mit «hohen» geistigen Themen befassen, sondern das Leben abbilden, das die Menschen im Alltag umgibt. Seine Produkte des Alltags nannte man auch Industrie-Stillleben. Warhol führt uns, etwas salopp ausgedrückt, ins «Zeitalter der Konservenbüchse». Das war sicher ein echter Fortschritt. Die konsumkritische Haltung setzte wohl deutlich später ein. Wäre er ein Schweizer gewesen, hätte er vielleicht eine Roco-Ravioli-Büchse gewählt.
Welche Assoziationen entstehen bei einem Vergleich mit einem Stillleben, das 300 Jahre früher enstand? Bei beiden Bildern geht es auch ums Essen. Verelst weist mit seinen Blumen und Früchten auf einen Jahreskreislauf hin. Will die zerrissene Etikette in Warhols Bild auf Verletzlichkeit und Vergänglichkeit hinweisen?
Warhol studierte von 1945 bis 1949 Gebrauchsgraphik am Carnegie
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Stahlstabile |
3. Oktober 2017, Referentin Maya Karacsony Alexander Calder (1898-1976). Cello auf einer Spindel. Eisenblech bemalt, Holz. 1937.
Beim Namen Calder denkt man automatisch an seine legendären Mobiles. Beim hier besprochenen Werk handelt es sich allerdings eher um ein Mobile-Stabile-Hybrid. Das aus Abfallblech gefertigte Objekt ist zwar beweglich auf einer Spindel befestigt – aber weil das Museum nicht möchte, dass man es bewegt, wirkt es eher wie eine stabile Skulptur. Der Titel verspricht ein Cello. Abstrakt oder surreal? das ist die Frage. Und was das Stück Holz auf dem Blech bedeuten soll, erschliesst sich den Kursteilnehmern nicht so ganz. Gelernt hat unser Kunstgrüppchen aber immerhin, dass der Ausdruck «Mobile» von Marcel Duchamp stammt, und dass Hans Arp die Bezeichnung «Stabile» erfunden hat.
Der US-Amerikaner Alexander Calder gilt als der Wegbereiter der kinetischen Plastik und hat sich vor allem mit seinen schwerelosen Mobiles einen Namen gemacht. Gemäss seinen eigenen Worten ist «Biegen, Falten und Formen» seine liebste Tätigkeit. Begonnen hat er seine künstlerische Tätigkeit in den 20er-Jahren mit Drahtfiguren, leicht und verspielt. Wie er das in seinem Werk «Circus» von 1927 zeigt. Hier auf >Youtube zu sehen. Als er dann 1930 in Paris auf Piet Mondrian traf, wandelte sich sein Wirken zur abstrakten Kunst hin. Berühmt ist auch sein Quecksilber-Springbrunnen, den er für die Weltausstellung von 1937 fertigte. Der steht heute im Museum Joan Mirò in Barcelona. |
Schmetterling, |
26. September 2017, Referentin Andrea Sterczer Jan van Kessel der Jüngere (1626-1679). Blumen in Glasvase mit Entwicklung der Seidenraupe, 1660.
Ziemlich verwirrlich das Ganze. Der Vortrag beginnt mit der Feststellung, dass das Gemälde im Kunsthaus falsch angeschrieben ist. Jan van Kessel der Jüngere ist 1654 in Antwerpen geboren und nicht 1626.
Von wem immer das Gemälde stammt – das Stillleben mit den Blumen enthält die Botschaft der Auferstehung. Dargestellt in der Entwicklung von der Raupe zum Schmetterling. Dieser ist ein christliches Symbol für Wiederauferstehung, wobei die Raupe fürs Leben steht und die Verpuppung für den Tod. Im Alten Ägypten stand der Schmetterling für die Seele. Und in der Antike war er Sinnbild für Wiedergeburt und Unsterblichkeit. Im antiken Griechenland soll ψυχή Psyche die Bezeichnung für den Schmetterling gewesen sein. Die Gegenprobe mit neuem Griechisch ergibt allerdings etwas anderes: Schmetterling heisst πεταλούδα und klingt etwa wie «petalosa». |
Hermes, Erfinder und Erbauer der Lyra... |
19. September 2017, Referentin Maya Karacsony Johann Ludwig Keyser (1816-1890). Hermes auf der Schildkröte, 1878, Marmor.
Hermes ist der griechische Gott des Handels, der Reisenden und der Diebe, aber auch der Kunsthändler (sein römisches Pendant heisst Merkur). Sein Vater ist Zeus, die Mutter die Nymphe Maia, die in einer Höhle lebt und von Zeus gelegentlich «besucht» wird. Von Geburt an ist er ein aufgewecktes Kerlchen. Kaum auf der Welt, tötet er eine Schildkröte, nimmt ihren Panzer, befestigt zwei geschwungene Tierhörner und sieben Saiten daran und erfindet so die Leier, die Lyra.
Die Marmorskulptur von Johann Ludwig Keyser zeigt den Moment, wo sich der göttliche Knabe zu überlegen scheint, ob er die Schildkröte jetzt oder später töten soll. Die fein verarbeitete Skulptur wurde in einer Epoche geschaffen, wo Knabenabbildungen gerade in waren – es ist die Zeit des Historismus. Das Werk wird 1865 in einer Gipsversion in Zürich ausgestellt, die Marmorskulptur kann 1870 vom Kunsthaus Zürich erworben werden.
Johann Ludwig Keyser kommt 1816 in Zug zur Welt. Mit 20 zieht er nach München. Er arbeitet im Atelier des Bildhauers Ludwig Michael Schwanthaler, später besucht er die Akademie der Bildenden Künste. In der Schweiz beteiligt er sich 1853 am Wettbewerb für das Winkelried-Denkmal in Stans. Er gewinnt ihn, aber sein Entwurf befriedigt nicht. Der Auftrag geht schliesslich an Ferdinand Schlöth. 1853 kehrt Keyser nach Zug zurück. 1857 wird er zum Professor der Modellierschule am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich ernannt. |
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6. Juni 2017, Referentin Claire Geyer Paul Klee (1879-1940). Buntes Beet, 1923.
In diesem Ölgemälde kommt gut zum Ausdruck, dass Paul Klee einen Bezug zur Grafik hatte. Anderseits ist der Aufbauraster nicht sauber geometrisch, sondern lässt der Natur jenen Spielraum, den dieses Blumenbeet braucht. Der Rahmen gehört zum Werk, er ist doppelt ausgeführt: Aussen als eine grosse dunkle Fläche, innen als Goldumrandung. Das Gold kommt nicht zufällig: Als das Werk entstand, 1923, war Klee im Bauhaus in Weimar tätig und leitete dort die Werkstätte für Gold-, Silber und Kupferschmiede. Später kam noch die Glasmalerei dazu.
Ist er nun Schweizer oder nicht? Nein, Deutscher. Obwohl er in der Schweiz geboren ist, mehr als die Hälfte seines Lebens hier verbringt und auch die Schweizer Staatsbürgerschaft beantragt hat. |
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30. Mai 2017, Referentin Maya Karacsony Henri Matisse (1869-1954). Grand nu accroupi / Sitzender Akt (Olga), 1909-10.
Die Bildhauerei betrieb Matisse gemäss eigenen Angaben «nur als Ergänzung für seine Studien». Dieser sitzende Akt ist eine von 69 Skulpturen, die er 1950 ausstellte. Er fand Eingang in die Kunstsammlung von Werner und Nelly Bär. Die beiden waren nicht nur Sammler, sie schafften auch selbst Skulpturen. 1968 schenkten sie die «Grand nu» dem Kunsthaus Zürich.
Als Modell diente Matisse die russische Künstlerin Olga Markowa Meerson (1880-1829), die eine seiner Schülerinnen war. In der Plastik ist die Frau allerdings nicht zu erkennen, die Gesichtszüge sind kaum ausgearbeitet. Ebensowenig Hände und Füsse, die wie Flossen anmuten. Das passt zum Stil von Matisse. Obwohl zu Beginn seiner Karriere durch Rodin beeinflusst, lehnte er sich mehr und mehr gegen die akademischen Zwänge auf, die Natur abbilden zu müssen. Deshalb gehörte er auch der Gruppe der «wilden Bestien» an (den Fauvisten), die sich die Freiheit nahmen, alles so abzubilden, wie sie es gerade für passend hielten. Die Phase der Fauvisten dauerte allerdings nicht lange, nur von 1905 bis 1908. Mehr über
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23. Mai 2017, Referentin Andrea Sterczer Eugène Delacroix (1798-1863). Milton diktiert seinen Töchtern das Epos «Paradise Lost», 1827-28.
Der englische Dichter John Milton (1608-1674) schrieb sein berühmtestes Werk «Paradise Lost» erst im hohen Alter. Es erschien 1667 und hat das Ringen zwischen Himmel und Hölle, Gott und Teufel zum Thema, und Erzengel Michael spielt darin eine wichtige Rolle: Dieser vertreibt Adam und Eva aus dem Paradies. Milton war zum Zeitpunkt der Abfassung seines Buches (nach 1660) fast blind, sodass er seinen Töchtern den Text diktieren musste. Das Gemälde von Delacroix zeigt diesen Moment. Die zwei Töchter stammen aus seiner ersten Ehe, waren also schon erwachsen. Milton, der unter Cromwell diente, war auch ein politischer Vordenker und Aufklärer. Schon früh befasste er sich mit Fragen von individueller Freiheit und stand entschieden für die Pressefreiheit und für ein republikanisches Regierungssystem ein. Aus diesem Grund befürwortete er auch die Hinrichtung von Königs Charles I, die zu einer kurzzeitigen Abschaffung der Monarchie führte.
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16. Mai 2017, Referentin Claire Geyer Piet Mondrian (1872-1944). Komposition mit Rot, Blau und Gelb, 1930.
Die von Piet Mondrian und Theo van Doesburg 1918 ins Leben gerufene niederländische Künstlervereinigung De Stijl setzte sich zum Ziel, sich von den Darstellungsgrundsätzen der tradtionellen Kunst abzuwenden und eine abstrakte Formensprache zu kreieren. Im Vordergrund standen rein geometrisch-abstrakte Formen sowie eine Reduktion auf die Primärfarben Rot, Gelb und Blau.
Das neue Konzept beeinflusst bis heute den Alltag in Architektur, Möbeln und generellem Design. Zu Beginn seiner Karriere als Künstler malte Mondrian impressionistisch, ab 1908 unter dem Einfluss von Van Gogh auch fauvistisch. 1911 wandte er sich in Paris wie Braque und Picasso dem Kubismus zu. Ab den 20er-Jahren pflegte er jenen Stil, der ihn berühmt machte: Schwarze Raster mit rechteckigen Flächen aus den Grundfarben.
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9. Mai 2017, Referentin Susanne Huber Pablo Picasso (1881-1973). Guitare sur un guéridon, 1915.
«Ich male Dinge wie ich sie denke, nicht wie ich sie sehe» soll Picasso einmal gesagt haben. Auf dieses Stillleben passt die Aussage sehr gut. Es wurde in einer Epoche gemalt, als man von der jahrhundertelang gepflegten Zentralperspektive wegzukommen versuchte. Man wollte neu alles von allen Seiten abbilden, – und das im gleichen Bild. Am Beispiel der Gitarre, die auf einem Tischchen liegt: Es gibt eine Aufsicht und gleich darunter eine Sicht auf das Profil des Instrumentes.
Auf den ersten Blick sieht das Werk wie eine Collage aus, es ist aber reine Malerei. Sie besteht aus übereinanderliegenden Farbflächen, die zusammen einen räumlichen Eindruck erzeugen. Beim synthetischen Kubismus legte Picasso Wert darauf, seinen Werken ein labiles Gleichgewicht zu verleihen – heisst: nicht zu ausgeglichen. Er wollte, dass die Dinge überraschend auftreten und durch Asymmetrie an Spannung gewinnen. Maltechnik: Picasso hat seiner Farbe ein Granulat beigemischt, gut erkennbar am grünen Teil der Gitarre (siehe Detailfoto). |
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2. Mai 2017, Referentin Andrea Sterczer Johann Caspar Füssli (1706-1782). Quodlibet mit vier Bildnissen, 1756.
Der Begriff Quodlibet (lat. «wie es beliebt») wird häufig in der Musik verwendet. In der Malerei sind Quodlibets Bestandteil der Stillleben-
Seine erste Ausbildung erhielt Johann Caspar Füssli von seinem Vater Hans Rudolf Füssli. Weiterbildung in Wien von 1724 bis 1731. Nach Wanderjahren in Süddeutschland kehrte er 1736 nach Zürich zurück. Von 1757 bis 1764 wirkte er als Stadtschreiber von Zürich.
PS: Johann Caspar Füssli ist der Vater des berühmteren |
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25. April 2017, Referentin Susanne Huber Pierre Bonnard (1867-1947). Portrait Ambroise Vollard (1865-1939), 1904-05.
Pierre Bonnard hat mehrere Portraits von Ambroise Vollard gemalt. Vollard war Galerist und Verleger, vor allem aber Kunsthändler. Begonnen hat er als Sammler. Begeistert war er vor allem von Paul Cézanne, der ihm 150 seiner Werke zur Verfügung stellte. 1895 organisierte er Cézannes erste Einzelausstellung. Zu dieser Zeit war Cézanne noch ein unbekannter Künstler. Auf dem besprochenen Gemälde von Bonnard sieht man im Hintergrund eines der heute berühmten Bilder von Cézanne (aus der Serie «Die Badenden»). Im Spiegel ist eine Staffelei zu erkennen. Links weitere Gemälde und rechts auf dem Stuhl ein Buch, das darin erinnern soll, dass Vollard auch Verleger war. Der ruhende Vollard hat eine Katze im Arm, die bei näherer Betrachtung hell wach ist. Symbolisch so zu deuten, dass sie jederzeit «zuschlagen» kann, wenn es etwas zu erbeuten gibt. So wie das der Kunsthändler tut, wenn sich eine gute Gelegenheit zum Kauf oder Verkauf eines Bildes bietet.
Pierre Bonnard gehörte der Gruppe der >Nabis (hebräisch für Prophet) an, deren Ziel darin bestand, sich von der Akademiekunst zu lösen. Also keine präzise Abbildung mehr, sondern ein Bildaufbau mit Formen und Flächen. >mehr über Pierre Bonnard |
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18. April 2017, Referentin Gabriele Lutz Giovanni Segantini (1858-1899). La vanità – Die Eitelkeit, 1897.
Ein Spätwerk des Künstlers, der in Acro am Gardasee (damals zu Österreich gehörend) aufwuchs und in Mailand Malerei studierte. Dieses Gemälde entstand im Oberengadin, wo er von 1894 an lebte. Die Maltechnik ist eine Form des Divisionismus: Feinste Striche aus reinen Farben verschmelzen zu einem Bild. Diese Technik ist sehr zeitaufwändig. Mit ein Grund, warum Segantini nur relativ wenige Werke geschaffen hat, der andere: er wurde nur 41 Jahre alt. Der überwiegende Teil des Werkes «La vanità» ist naturalistisch, einzig das Schlangengetier im Teich macht es zu einem Bild des Symbolismus. Die Themen Eitelkeit und Täuschung stammen aus der griechischen Mythologie (Narziss, der in sein eigenes Spiegelbild verliebt ist) und aus der Bibel (Eva und die Schlange).
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4. April 2017, Referentin Maya Karacsony Edgar Degas (1834-1917). Danseuse regardant la plante de son pied droit, 1896-1911.
Ja, es ist eine Tänzerin – Balletteusen gehörten zu den Lieblingssujets von Edgar Degas, zusammen mit Pferderennen – aber hier tanzt sie nicht, sie verrenkt sich, wenn auch elegant. Sie betrachtet ihre Fusssohle in einer Tanzpause. Degas, mehr Maler als Bildhauer, hat solche Skulpturen nur nebenbei als Studien erstellt. Und nie in Bronze, sondern in Wachs. Nicht fein ausgearbeitet, nur grob geformt, ohne Gesichter. «Nicht fürs Publikum bestimmt», beschied er, und hielt sie lange versteckt, bis zu seinem Tod. 1917 entdeckte man in seinem Atelier 150 solcher Wachsstudien. 73 davon eigneten sich, in Bronze gegossen zu werden. Diese hier ist eine davon. Sie wurde 1929 vom Kunsthaus Zürich erworben.
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28. März 2017, Referentin Claire Geyer Ernst Scheidegger (1923-2016). Die Leerräume in der Schrift, 1943.
Einen Namen hat er sich vor allem als Fotograf gemacht, er war aber auch Filmer, Redaktor, Maler, Galerist, Sammler und Verleger. Er war als Reporter für die Fotoagentur Magnum unterwegs und verkehrte in Paris mit den Künstlern Fernand Léger, Richard Paul Lohse, Man Ray. Bekannt machten ihn vor allem die Aufnahmen von Alberto Giacometti, über den er 1958 ein Buch veröffentlichte. Das Portrait von Giacometti auf der 100-Franken-Note stammt von ihm. In Zürich besuchte er die Fotoklasse von Hans Finsler und die Kunstgewerbeschule, in der sein Lehrer Max Bill hiess. Im Rahmen der Schriftgestaltung befasste er sich mit Ausdrücken wie Proportionalraster, Zeichenabstand, Oberlänge/Unterlänge, Durchschuss und Leerraum..., was ihn zu diesem Werk veranlasst hat. |
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21. März 2017, Referentin Gabriele Lutz Meister der Münchner Marientafeln. Verkündigung Mariae, 1445-50.
Der Name des Malers ist unbekannt. Im Mittelalter war es üblich, dass die Künstler im Hintergrund blieben – sie wurden mehr als Handwerker verstanden. Das Gemälde stammt aus der Frauenkirche in München und kam in den 1920er-Jahren durch einen Kunsthändler nach Zürich. Es zählt zu den stärksten Werken der mittelalterlichen Sammlung des Kunsthauses Zürich.
In den meisten ähnlichen Darstellungen der Verkündigung bringt der Engel die Lilien zu Maria, hier sind sie schon eingetopft. Das Brokatgewand des Engels weist italienische Ornamente auf, während das Intérieur von Marias Raum niederländische Züge aufweist. Weitere biblische Symbole auf dem Bild sind der Vogel im Käfig oben rechts, es ist ein Distelfink, Synonym für Dornen. Die Lilien stehen für Reinheit. Unten rechts die Iris, ein Symbol des Leidens Christi.
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