Der Pionier des deutschen Symbolismus gehört zu den prominentesten Künstlern der internationalen Szene um 1900 – aber auch zu den umstrittensten, weil seine Werke in jener Zeit von vielen «zu modern» empfunden werden. Er ist Maler, Bildhauer und auch bekannt für seine grafischen Werke.
Max Klinger um 1915. Foto
Nicola Perscheid. Landesmuseum Mainz.
Max Klinger kommt 1857 als zweiter Sohn des Seifen- und Parfümfabrikanten Heinrich Klinger in Leipzig zur Welt. 1874 beginnt er ein Studium an der Grossherzoglich Badischen Kunstschule in Karlsruhe beim Maler Karl Gussow und beim Historien- und Porträtmaler Ludwig Des Coudres. Dann setzt er sein Studium an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin fort.
Sein künstlerisches Vorbild ist zu Beginn seiner Karriere >Adolph Menzel. Neben der Malerei beschäftigt er sich auch mit Musik und wird ein bekannter Klavierspieler. 1877 leistet er als Freiwilliger Militärdienst in einem Infanterieregiment.
1878 stellt Klinger seine Gemälde zum ersten Mal aus – ian der Königlichen Akademie der Künste in Berlin. Eines seiner Frühwerke heisst «Spaziergänger oder Der Überfall» (1878).
Ab 1882 entstehen seine ersten Plastiken. Für eine Berliner Villa entwickelt er die Idee der «Raumkunst», in der sich Gemälde und Skulpturen zu einem Ganzen fügen.
1891 verfasst er die kunsttheoretische Schrift «Malerei und Zeichnung» und tritt darin vehement für eine unbefangene Wiedergabe des nackten Körpers ein – sowohl von Männern wie von Frauen. Für die männlichen Figuren engagiert er Berufsathleten als Modelle. Bei seinen Frauenbildnissen orientiert er sich zwar am klassischen Schönheitsideal, legt aber grossen Wert auf Natürlichkeit.
1894 wird er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, drei Jahre später ernennt man ihn zum Professor an der Akademie der grafischen Künste in Leipzig. Und in Wien wird er Mitglied der Wiener Secession. Dort zeigt er 1902 eines seiner Hauptwerke: Die monumentale Skulptur des halbnackten Beethovens.
Ab 1909 wendet er sich vermehrt der Grafik zu und vollendet seinen Radierzyklus «Vom Tode II», an dem er fast zwanzig Jahr gearbeitet hat.
1909-1914: Ausbau des Weinberghauses in
Grossjena zum komfortablen Wohnsitz.
1911 macht der inzwischen 54-jährige Künstler
die 18-jährige Gertrud Bock zu seinem neuen Modell. Die Beziehung zu Elsa Asenijeff endet 1915.
1919 erleidet Max Klinger im Alter von 62 Jahren einen Schlaganfall. Noch im gleichen Jahr heiratet er Gertrud Bock. Mit ihr zieht er sich auf den Weinberg in Grossjena (Sachsen-Anhalt) zurück und macht diesen zu seinem Hauptsitz. Dort stirbt er am 4. Juli 1920. Er wird in seinem Weinberg beerdigt.
Titelbild (Ausschnitt)
Max Klinger (1857-1920). Das Drama,
1904, Marmor. Albertinum Dresden.
Max Klinger
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1878: Akademisches Frühwerk
Eines seiner ersten Werke, die er 1878 an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin ausstellen kann. Es kommt noch ganz in akademischem Stil daher.
1884: Mythologisches und Symbolistisches
Für eine Villa in Berlin-Steglitz schafft er eine Raumdekoration aus Gemälden, Büsten und einem zehnteiligen Fries. Die «Meergötter in der Brandung» sind ein Teil dieses Frieses, der die Naturkräfte des Meeres und dessen Bewohner symbolisiert. Die Figuren aus der Mythenwelt der Antike erinnern an Werke von >Arnold Böcklin, den Klinger 1887 persönlich kennen lernt.
1901, nach dem Tod des Villenbesitzers Julius Albers – Jurist und Kunstsammler – werden die Gemälde an die Berliner Nationalgalerie und an die Hamburger Kunsthalle verkauft.
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Max Klinger (1857-1920).
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1885: Raumkunst – «Das Urteil des Paris»
In diesem Werk zeigt Klinger, was er unter der Bezeichnung «Raumkunst» versteht: Er kombiniert Gemälde mit Skulpturen. Diese Komposition ist mehr als 7 Meter breit und heute im Schloss Belvedere in Wien zu sehen.
Das Motiv stammt von Homers «Ilias» aus der griechischen Mythologie. Drei Göttinnen halten sich alle für die Schönste – Athene, Hera und Aphrodite. Zeus legt das Urteil in die Hände des jungen Prinzen Paris, Sohn des trojanischen Königs Priamos...
>mehr über das Urteil des Paris
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Max Klinger
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1902: Hommage an Ludwig van Beethoven
Als begeisterter Musikliebhaber und begabter Klavierspieler verehrt Klinger grosse Komponisten wie Wagner und Beethoven. Für Letzteren schafft er 1902 ein spezielles Werk: Er zeigt den Meister mit nacktem Oberkörper und geballter Faust vor einem Adler. Für die imposante Skulptur verwendet er farbiges Gestein und Bronze mit Glas-, Metall-, Elfenbein- und Edelsteineinlagen. Den Marmor besorgt er sich in Griechenland, den Stein für das Gewand im Tirol, die Marmorblöcke für den Sockel und den Adler in den Pyrenäen.
Die Fertigung dauert rund 17 Jahre. Am Anfang stehen ein Plastilin-Entwurf und ein Gipsabguss aus dem Jahr 1885. Zum ersten Mal wird die Skulptur in Wien gezeigt – an der Ausstellung der >Wiener Secession von 1902.
Im Secessionsgebäude erhält sie einen eigenen grossen Raum, der mit dem (heute berühmten) Beethovenfries von >Gustav Klimt dekoriert ist.
Dass der halbnackte Beethoven in der öffentlichen Meinung Wellen schlägt, ist wenig verwunderlich. Man hält das Werk für unpassend und verspottet es. Aber dann nimmt das Interesse an der Skulptur zu.
Wiener Kunstliebhaber möchten es gerne kaufen und in Wien behalten. Schliesslich ist es der Leipziger Kunstverein, der den Kaufpreis aufbringt und das Monument für das Leipziger Museum der bildenden Künste erwirbt. Es gilt bis heute als Inbegriff einer heroischen Beethoven-Verehrung und wird immer wieder an Ausstellungen gezeigt. So auch 2020 zum 100. Todesjahr von Max Klinger in der Bundeskunsthalle Bonn. In Bonn ist Ludwig van Beethoven 1770 geboren.
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Max Klinger (1857-1920).
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1904: Das Drama – was steckt dahinter?
Neben der Beethoven-Skulptur ist es Klingers monumentalstes Werk. Was stellt die Komposition aus drei nackten Figuren dar? Darüber rätselt man. Ein Muskelprotz zieht mit höchster Kraft an einem Baumstumpf, unter ihm liegt eine ebenso muskulöse Person (Mann oder Frau?) und eine Frau wendet sich dieser zu, wie bereit zum Kuss.
Max Klinger nennt sein Werk «Das Drama». Ist es das Drama des Lebens um Liebe, Eifersucht, Glück? Der Künstler schweigt.
Kunstexperten bescheinigen dem «Drama», dass es nahe an Werke von >Auguste Rodin heran kommt. Beide Bildhauer pflegen die natürliche Nacktheit ins Zentrum ihrer Arbeiten zu stellen und wenden die «Non-Finito»-Technik an, bei der man die Figuren aus dem Marmor herauswachsen lässt.
Die Skulptur «Das Drama» wird in einem Raum im Albertinum Dresden gezeigt, der auch heute noch den Namen des Künstlers trägt: Klingersaal.
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Max Klinger (1857-1920). Elsa Asenijeff, 1900. Neue Pinakothek München. |
Elsa Asenijeff – Klingers Lebensgefährtin
Bei einem Festessen der Literarischen Gesellschaft in Leipzig lernt Klinger 1898 die österreichische Schriftstellerin kennen (die eigentlich Elsa Maria Packeny heisst).
Sie ist zehn Jahre jünger und wird sein Modell, seine Muse und Geliebte. Der Künstlers möchte aber die Beziehung nicht öffentlich machen. Dafür offeriert er ihr eine Luxuswohnung im vornehmen Musikviertel von Leipzig – mit 270 m2 Wohnfläche. Elsa wirkt als Gastgeberin bei gesellschaftlichen Anlässen und begleitet ihn auf Reisen.
Das Paar hat eine gemeinsame Tochter: Désirée, die 1900 in Paris zur Welt kommt. Im gleichen Jahr entsteht auch die polychrome Marmorbüste seiner Lebensgefährtin. 1915 trennt sich das Paar.
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Fotos / Diashow
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