Ausstellung «Gabriele Münter – Pionierin der Moderne».
Zentrum Paul Klee Bern. 29.1. bis 8.5.2022.

 

Gabriele Münter (1877-1962)


Nein, sie ist kein Anhängsel von >Wassily Kandinsky, vielmehr eine eigenständige und eigenwillige Künstlerin in der Zeit der Avantgardisten. Aber ihre Biographie ist eng mit Kandinsky verknüpft. Als seine Lebensgefährtin von 1901 bis 1915 sorgt sie dafür, dass viele von Kandinskys Frühwerken den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überleben. Im Alter von 80 Jahren schenkt Münter dem Münchner >Lenbachhaus über tausend Werke von Künstlern des >Blauen Reiters.

 

 

Gabriele Münter, Foto um 1903.
Münchner Stadtmuseum.

 

 

Gabriele Münter kommt 1877 in Berlin zur Welt. Ihre Eltern – der Vater Carl ein Zahnarzt – haben es in den USA zu Wohlstand gebracht, müssen aber aufgrund des Sezessionskriegs in ihre Heimat nach Deutschland zurück. Ein Jahr nach Gabrieles Geburt zieht die Familie nach Herford (Westfalen), dann nach Koblenz. 1886 stirbt ihr Vater, da ist sie neun Jahre alt.


Schon in der Schulzeit zeigt sich ihre künstlerische Begabung. Sie darf ab 1897 Privatunterricht beim Porträtmaler Ernst Bosch nehmen. Staatliche Kunstakademien sind Frauen damals noch nicht zugänglich. Mit ihrer Schwester bereist sie die USA und dokumentiert die Reise fotografisch. Sie hat ein gutes Auge für die Fotografie.

 

1901 nimmt sie ein Studium an der «Damenakademie» des Künstlerinnen-Vereins auf. Sie befasst sich mit der Drucktechnik des >Holzschnitts.

 

Im gleichen Jahr beginnt sie mit Malunterricht bei Wassily Kandinsky, der die Schule der Künstlervereinigung «Phalanx» leitet. Zwischen Münter und Kandinsky entwickelt sich ein Liebesverhältnis. Weil er noch verheiratet ist, halten die beiden ihre Beziehung geheim. Ab 1904 unternehmen sie ausgedehnte Reisen in die Niederlande, nach Tunesien, Italien und nach Frankreich.

 

 

Bildnis Gabriele Münter um 1905.

Von Wassily Kandinsky (1866-1944).

Lenbachhaus München.

 

 

1906/1907 leben Münter und Kandinsky in Paris. Sie verfeinert ihre Malkunst bei Théophile Steinlen an der Académie de la >Grande Chaumière. Es entstehen rund 70 Gemälde, die vor allem den Park von Saint-Cloud zeigen.

 

1908 lassen sich Münter und Kandinsky in Murnau bei München nieder, zwischen Seen und Bergen. 1909 erwirbt Münter eine neugebaute Villa (heute als «Münter-Haus» bekannt).

 

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 verlassen Münter und Kandinsky Deutschland in Richtung Schweiz. Kandinsky zieht nach Russland weiter, Münter reist nach Stockholm. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf ihrer Bilder und nimmt auch Porträt-Aufträge an. Ende 1915 treffen sich die beiden ein letztes Mal in Stockholm. Kandinsky kehrt nach Russland zurück und bricht nach der Oktoberrevolution 1917 den Kontakt zu Münter ab.

 

In Kopenhagen finden 1917 Einzelausstellungen von Gabriele Münter statt. In Skandinavien macht sie sich einen klingenden Namen unter den Avangardisten. Aber als sie 1920 nach dem Krieg nach Deutschland zurück kommt, scheint man sie hier als Künstlerin «vergessen» zu haben. Sie durchlebt eine harte Phase.

 

1927 lernt Münter den Philosophen und Kunsthistoriker Johannes Eichner kennen. Er wird ihr Lebensgefährte und Förderer, organisiert als ihr Agent von nun an ihre Ausstellungen. Darüber hinaus verfasst er Schriften über Münter und prägt so ihr Bild in der Kunstgeschichte massgeblich. Es folgen gemeinsame Reisen in Frankreich.

 

In der aufziehenden Nazizeit (1930er-Jahre) leben Münter und Eichner in Murnau – so unauffällig wie möglich. Er rät ihr, in die «Reichskammer der bildenden Künste» einzutreten, um weiter ausstellen zu können. Sie passt ihren Malstil der Erfordernissen der (Nazi)Zeit an und malt unverfängliche Sujets wie Baustellen, um dem Vorwurf der «entarteten Kunst» zu entgehen. Das gelingt ihr – immerhin wird sie an der Münchner Ausstellung für >entartete Kunst 1937 nicht gezeigt – also auch nicht diffamiert.

 

Nach dem Krieg ist sie 1949 an einer Retrospektive des >Blauen Reiters im Münchner >Haus der Kunst vertreten. 1950 organisiert ihr Lebenspartner Johannes Eichner eine weitere Retrospektive für sie.

 

1955 stellt sie auf der «Documenta 1» in Kassel aus und wird Mitglied im Deutschen Künstlerbund.

 

1956 erhält sie den Kunstpreis für Malerei der Stadt München.

 

1958 erleidet ihr Lebensgefährte Johannes Eichner einen Hirnschlag und stirbt am 11. Februar 1958 in München.

 

Gabriele Münter stirbt am 19. Mai 1962 in ihrem Haus in Murnau, vier Jahre nach ihrem Lebensgefährten Johannes Eichner. Die beiden ruhen in einem gemeinsamen Grab auf dem Murnauer Friedhof.

 

 

 

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Ausstellung «Gabriele Münter –
Pionierin der Moderne»

Zentrum Paul Klee, Bern
29.1. bis 8.5.2022

 

Die Retrospektive im Zentrum Paul Klee (in Zusammenarbeit mit der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, dem Lenbachhaus und dem Kunstbau München) zeigt die Künstlerin als vielseitige und experimentierfreudige Künstlerin im Zeitraum von 1906 bis zum Zweiten Weltkrieg. Zu sehen sind Porträts und zahlreiche Gemälde in diversen Stilen, dazu Zeichnungen und Linolschnitte.


 

 

 

>Fotos Münter-Ausstellung 2022

 

>Ausstellungsführer (PDF)

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Gabriele Münter (1877-1962).

Jawlensky und Werefkin, 1909.

Lenbachhaus München.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Bayrische Landschaft (Landschaft um Kochel), 1902. Privatsammlung.

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Portrait Kandinsky. Farblinolschnitt auf Japanpapier, 1906. Lenbachhaus München.

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Das Haus in Murnau («Russenhaus»), 1931. Lenbachhaus München.
 

 

 

1902: Münters erstes Gemälde

 

In München nimmt Gabriele Münter Malunterricht bei >Wassily Kandinsky, der die Schule der 1901 gegründeten Künstlervereinigung «Phalanx» leitet. Im Sommer 1902 führt Kandinsky in Kochel am See einen Kurs für Freilichtmalerei durch. Dort entsteht Münters erstes bekanntes datiertes Gemälde, die «Bayerische Landschaft (Landschaft um Kochel)».

 

 

1901-1915: Beziehung zu Kandinsky

 

Zwischen Münter und Kandinsky entwickelt sich ein Liebesverhältnis. 1903 verloben sich die beiden. Weil er noch verheiratet ist, halten sie ihre Beziehung aber geheim – und reisen viel. Ab 1904 in die Niederlande, nach Tunesien, Italien und Frankreich. 1906/1907 leben Münter und Kandinsky in Paris. Er wohnt im Vorort Sèvres, sie im Künstlerviertel Montparnasse in einem Zimmer.

 

1908 lassen sich die beiden in Murnau bei München nieder und beziehen eine neugebaute Villa (heute als «Münter-Haus» bekannt), die Münter 1909 kauft. In Murnau richten sich auch ihre Malerfreunde >Werefkin und Jawlensky ein.

 

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 reisen Münter und Kandinsky in die Schweiz aus. Noch im gleichen Jahr zieht er nach Russland weiter. Münter reist nach Stockholm, wo sie ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Bildern bestreitet.

 

Ende 1915 treffen sich die beiden an einer Ausstellung in Stockholm, die sie für ihn organisiert. Sie sehen sich zum letzten Mal. Kandinsky kehrt nach Russland zurück und bricht nach der Oktober-Revolution 1917 den Kontakt zu seiner Verlobten Gabriele Münter endgültig ab. Er heiratet noch im gleichen Jahr Nina Andreevskaja.

 

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Jawlensky und Werefkin, 1909. Lenbachhaus München.

 

 

 

1909: Werefkin und Jawlensky

 

Zu Werefkin und Jawlensky haben Münter und Kandinsky ein enges Verhältnis, sie tauschen sich auch künstlerisch aus und beeinflussen sich in ihrer Malerei gegenseitig. Die kleine Ölstudie zeigt das Malerpaar Jawlensky und >Werefkin auf einer Wiese lagernd. Es entsteht bei einem gemeinsamen Ausflug im Juli 1909 in Murnau.

 

Maltechnisch zeigt es die Charakteristika des >Cloisonismus, wie ihn >Paul Gauguin pflegte. Solche und ähnliche Werke fertigt Münter in ihrer ersten Murnauer Zeit. Sie werden auch in den Ausstellungen des Blauen Reiters gezeigt.

 

 

 

Titelseite des Almanachs des Blauen Reiters.

 

 

 

 

1912: Beim Blauen Reiter kurz gehalten

 

Bei der Gründung der Künstlergruppe «Blauer Reiter» ist sie von Anfang an dabei und nimmt an den Künstlergesprächen teil. Aber schliesslich werden nur Kandinsky und Marc als Gründer geführt. Und im «Almanach» werden ausschliesslich Texte von Männern abgedruckt.

 

Dabei nimmt Gabriele Münter an den Ausstellungen des Blauen Reiters teil, trägt zahlreiche Bilder zum Almanach bei, bearbeitet die Reproduktionen, beschafft Artikel und Beilagen, besorgt das Korrekturlesen – und wird schliesslich mit keinem Wort erwähnt.

 

>mehr über den Blauen Reiter

 

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Selbstbildnis mit etwa 45 Jahren, 1921-23. Münter- und Eichner-Stiftung, München.

 

Hickhack mit Wassily Kandinsky

 

1921 erfährt Münter vom inzwischen verheirateten Kandinsky, dass er sein in Murnau belassenes Eigentum wieder zurück haben möchte. Die enttäuschte Münter – immerhin Kandinskys Verlobte seit 1903 – stellt sich quer. Sie verlangt nun ihrerseits «als Wiedergutmachung für sein gebrochenes Eheversprechen» seine in Murnau zurückgelassenen Werke.

 

Es folgt ein längeres Hickhack. Schliesslich unterschreibt Kandinsky im April 1926 eine Erklärung, in der er «Frau Münter-Kandinsky volles Eigentumsrecht» an den zurückgelassenen Arbeiten einräumt.

 

Damit bleibt der bedeutendste Bestand von Kandinsky-Werken aus seiner Münchner Zeit in ihrem Besitz. Im Gegenzug schickt Münter ihrem ehemaligen Lebensgefährten zwei Dutzend Kisten mit persönlichen Gegenständen und Möbeln nach Dessau, wo Kandinsky mittlerweile als Lehrer am >Bauhaus lebt und arbeitet.

 

 

>mehr über Wassily Kandinsky

 

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Der blaue Bagger, 1935. Lenbachhaus München.

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Strassenarbeiter II (Studie), 1935. Münter- und Eichner-Stiftung, München.

 

Eichner – ihr Lebensgefährte und Agent

 

1927 lernt die inzwischen 50-jährige Münter den Philosophen und Kunsthistoriker Johannes Eichner (1886-1958) kennen. Er wird ihr Lebensgefährte und Agent, organisiert ihre Ausstellungen und verfasst Schriften über die Künstlerin, die bis heute das Bild Münters in der Kunstgeschichte prägen.

 

In der aufkommenden Nazizeit (ab 1933) rät Eichner seiner Partnerin, in die «Reichskammer der bildenden Künste» einzutreten, um weiter arbeiten und ausstellen zu können.

 

1936 nimmt sie auf sein Drängen hin an der Wanderausstellung «Die Strassen Adolf Hitlers in der Kunst» teil und zeigt dort unverfängliche Bilder wie Der blaue Bagger und Strassenarbeiter. Vielleicht sind diese «nazigerechten» Gemälde ein Grund dafür, dass sie trotz ihrer frühen avantgardistischen Werke nicht in die Kategorie «entartete Kunst» gesteckt wird. Zumindest wird sie an der Münchner Ausstellung für >entartete Kunst 1937 nicht ausgestellt und somit auch nicht diffamiert.

 

Sie ist aber gewarnt und versteckt 1938 ihre umfangreiche Kunstsammlung mit frühen Werken von Kandinsky, Franz Marc, Paul Klee und Alfred Kubin im Keller ihres Hauses in Murnau. Münter gilt deshalb als Retterin von Kandinskys Frühwerk.

 

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Mutter mit schlafendem Kind, 1934. Münter- und Eichner-Stiftung, München.

 

1949: Ausstellung «Blauer Reiter»

 

Nach dem Krieg findet in München im einstigen Kunsttempel Adolf Hitlers, im >Haus der Kunst eine grosse Blaue-Reiter-Ausstellung statt. Es ist eine Art Wiedergutmachungs(versuch), die «entarteten» Werke von Kandinsky, Marc, Macke, Klee, Kubin usw zu rehabilitieren. Auch Gabriele Münter darf ihre Werke ausstellen. >mehr über den Blauen Reiter

 

1950 organisiert ihr Lebenspartner Johannes Eichner für Gabriele Münter eine grosse Retrospektive mit Werken aus fünf Jahrzehnten – es wird eine Deutschlandtour mit 22 Stationen.


1956 wird Münter mit dem Kunstpreis der Stadt München für Malerei ausgezeichnet.

 

 

 

Gabriele Münter (1877-1962). Fräulein Ellen im Gras, 1934. Lenbachhaus München.

 

Wassily Kandinsky (1866-1944). Murnau, Blick aus dem Fenster des Griesbräu, 1908. Lenbachhaus München.

 

 

1957: Schenkung an Lenbachhaus München

 

Zu ihrem 80. Geburtstag schenkt sie 1957 der Städtischen Galerie im >Lenbachhaus München ihre umfangreiche Bildersammlung mit über 1000 Werken von KünstlerInnen des Blauen Reiters.

 

Dazu gehören 25 Münter-Gemälde und neunzig Ölgemälde, zahlreiche Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken von >Wassily Kandinsky. Im weiterenArbeiten von >Franz Marc, Jawlensky, >Werefkin, >Macke und >Klee. Durch diese Schenkung macht Münter das Lenbachhaus zu einem Museum von internationalem Rang.

 

1966, vier Jahre nach ihrem Tod, wird Münters testamentarischer Wille umgesetzt: Mit der Gründung der Gabriele Münter- und
Johannes Eichner-Stiftung
mit Sitz im Lenbachhaus München.

 

Auch ihr Murnauer Haus geht in den Besitz der Stiftung über.

 

 

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Münter-Werke chronologisch geordnet

 

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Münter-Ausstellung Kunstmuseum Bern 2022

 

 

 

 

>Arte-Video über Gabriele Münter (YouTube)

 

 

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