Er ist der älteste jener führenden Künstler, die das >Golden Age dominiert haben. Van Haarlem wird zwar als der >Manierist des Nordens bezeichnet, aber er hat sich auch als Porträtist einen Namen gemacht und gilt auf diesem Sektor als Vorläufer des noch berühmteren >Frans Hals.
Cornelis van Haarlem, Selbstporträt
um 1588.
Privatsammlung.
Foto Vassil, WikiCommons.
Cornelis Corneliszoon van Haarlem wird 1562 in Haarlem geboren (heute Hauptstadt von Nordholland, etwa 20 km westlich von Amsterdam gelegen). Als er elf ist, wird Haarlem gerade von der spanischen Armee belagert. 1573 fliehen seine Eltern aus der Stadt und überlassen ihren Sohn der Obhut des Malers und Porträtisten Pieter Pietersz (1540-1603). Bei diesem erhält er seine erste künstlerische Ausbildung. Später dann in Antwerpen beim italienisch beeinflussten Landschaftsmaler Gillis Coignet (1542-1599).
Danach kehrt er nach Haarlem zurück, wo er den Rest seines Lebens wohnt und arbeitet. Sein Frühwerk besteht vor allem aus biblischen und mythologischen Motiven. Es sind vornehmlich grossformatige Bilder in manieristischem Stil: Viele hochstilisierte männliche Akte mit grotesk-muskulöser Anatomie und in verdrehten Posen – Manierismus pur.
1583 erhält er von der Stadt Haarlem seinen ersten Auftrag: Ein Porträt der Miliz, der Haarlem Civic Guard. Danach wird er offizieller Stadtmaler von Haarlem. Als Porträtmaler übt er einen gewichtigen Einfluss auf den später berühmten >Frans Hals (1582-1666) aus.
1603 heiratet er Maritgen Arentsdr Deyman, eine Tochter des Bürgermeisters von Haarlem. 1605 erbt er einen Drittel des Nachlasses seines wohlhabenden Schwiegervaters.
Zusammen mit anderen Künstlern gründet er eine Zeichenschule, die als Haarlem Academy oder auch als «Haarlems Manieristen» bekannt wird.
In späteren Jahren verändert sich sein Stil. Weg vom Manierismus zu einer Form von niederländischem Realismus. Auch hier dominieren Akte, aber nun sind es mehrheitlich weibliche.
Zu seinen berühmtesten Werken gehören Szenen aus dem alten Testament – von Adam und Eva über den Kindermord von Bethlehem bis zur badenden Schönheit Bathseba, die von König David begehrt wird.
Cornelis van Haarlem stirbt am 11. November 1638 in Haarlem.
Berühmte Maler des Golden Age:
>Cornelis van Haarlem (1562-1638)
Titelbild (Ausschnitt)
Cornelis van Haarlem (1562-1638).
Bathseba bei der Toilette, 1594.
Rijksmuseum Amsterdam.
Cornelis van Haarlem (1562-1638). Porträt von Pieter Janszoon Kies, 1586. Rijksmuseum Amsterdam.
Cornelis van Haarlem (1562-1638). Bankett der Offiziere der Zivilgarde, 1599. Frans Hals Museum, Haarlem.
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Stadtmaler von Haarlem
1583 erhält er von der Stadt seine ersten Aufträge, darunter auch für ein Porträt des Haarlemer Bürgermeisters Pieter Janszoon Kies. Später wird Cornelis van Haarlem offizieller Stadtmaler von Haarlem.
Was für ihn aber weit prestigeträchtiger und auch lukrativer ist, sind die Gruppenporträts der Bürgerwehren.
Bürgerwehren spielen während des >Golden Age im 17. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Ihr kommt die Verteidigung der Stadt gegen Feinde von innen und von aussen zu. Alle erwachsenen Bürger bis zum 60. Altersjahr sind dazu verpflichtet.
Weil aber die Gardisten für Waffen und Ausrüstung selbst zu sorgen haben, können sich nur die reichen Bürger den Eintritt in solche Kompanien leisten. Es ist also eine Ehre, einer dieser Schützengruppen anzugehören, das will und muss man dokumentieren – am besten mit kostspieligen Gemälden bekannter Künstler. Für die Maler des Golden Age ein gutes Geschäft.
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Cornelis van Haarlem (1562-1638). Der Sturz der Titanen, 1588-90. Statens Museum for Kunst, Copenhagen.
Detail: Die Titanen mit
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Der niederländische Manierismus.
Grotesk überzeichnete Muskelpakete, verdrehte und verzerrte Körper in allen nur vorstellbaren Lagen, ein unbeschreibliches Chaos. Van Haarlems Manierismus übertrifft jenen der Florentiner wie Bronzino bei weitem, und selbst der für seinen verworrenen Bildaufbau bekannte Venezianer Tintoretto erscheint daneben fast gesittet.
Cornelis van Haarlem schöpft aus dem Vollen und packt sein über drei Meter breites Werk «Sturz der Titanen» voll mit anatomischen Ungeheurlichkeiten.
>mehr über den Sturz der Titanen
Aber sein Titanensturz hat auch lustige Seiten, die zum Schmunzeln anregen. Wie bloss kam der Künstler auf die Idee, diesen vor Kraft strotzenden Titanen bunte Schmetterlinge als Deckmäntelchen für «sündige Stellen» zu verpassen? Woher diese Prüderie? Fürchtete er sich vor der Bürgerlichkeit, die solche Bilder immerhin kaufte? oder vor der Kirche? Vielleicht. Mit der Reformation, die im Norden Europas gerade am Gedeihen war, kam ja tatsächlich eine neue Welle von Prüderie auf.
Noch ein Beispiel des >Manierismus. Er ermöglicht Bilder, in denen die Haupthandlung zur Nebensache wird. Die Taufe Christi heisst dieses Bild von 1588. Man reibt sich die Augen. Wo soll hier eine Taufe sein? Da gibt es ja nur nackte Männer in komischen Posen zu sehen, die zum Blickfang gemacht werden. Doch, die Taufe gibt es: ganz hinten im Dunkeln und winzig klein.
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Cornelis van Haarlem (1562-1638). Der Kindermord von Bethlehem, 1590. Rijksmuseum Amsterdam.
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Der Kindermord von Bethlehem
Das wandfüllende Gemälde misst 3.56 x 2.45 Meter und ist ein Auftragswerk für den Prinzen Moritz von Oranien (1567-1625), Statthalter von Holland. Es ist eines der berühmtesten Werke van Haarlems, den man auch schon mal «Michelangelo Hollands» genannt hat. Vielleicht weil er auch so viele schöne nackte Männer malte wie jener.
Im Kunstbegriff «Manierismus» steckt ja auch das Gekünstelte, das Übertriebene, das Unnatürliche. Das alles ist in diesem Bild vorhanden.
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Cornelis van Haarlem (1562-1638). Die Hochzeit von Peleus und Thetis, 1592-93. Frans Hals Museum, Haarlem. |
Die Hochzeit von Peleus und Thetis
Manierismus vom Feinsten. Ein auf die Spitze getriebenes Chaos. Und vorne rechts ein so genanntes «Doppelpaar»: Die gleiche Frau, mal von vorne, mal von hinten.
Die Geschichte der Hochzeit: Alle olympischen Götter sind eingeladen, nur Eris nicht, die Göttin der Zwietracht. Diese wirft aus Rache einen goldenen Apfel mit der Aufschrift «Der Schönsten» unter die Gäste. Nun gibt es Streit: Hera, Athene und Aphrodite wollen die Schönste sein.
Zeus soll entscheiden, doch dieser kneift und lässt den trojanischen Prinzen Paris entscheiden.
>mehr über das Urteil des Paris
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Cornelis van Haarlem (1562-1638). Mönch und Nonne, 1591. Frans Hals Museum, Haarlem.
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Der lüsterne Mönch und die Nonne
Was sagt dieses Bild? Naheliegend: Es ist eine Kritik an den verwilderten Sitten in den Klöstern und an der Kirche.
Oder doch nicht? Gemäss alten Berichten geht es hier um das «Wunder von Haarlem». Die Legende lautet so: Eine Nonne wird beschuldigt, eine Schwangerschaft und Geburt verborgen zu haben. Also wird ihre Brust geprüft. Wenn Milch kommt, ist sie schuldig. Aber es kommt keine Milch... sondern Wein.
Was die Frömmigkeit und die Unschuld der Nonne beweist. Vielleicht. Vielleicht war es aber auch bloss der Versuch, Fleischeslust mit einem Wunder zu verschleiern.
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Cornelis van Haarlem (1562-1638). Bathseba at her Toilet, 1594. Rijksmuseum Amsterdam.
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Die schöne Bathseba bei der Toilette
Die schöne Bathseba beim Baden im Freien, assistiert von zwei ebenso nackten Dienerinnen. Kein Wunder, ist König David davon beeindruckt, als er aus seinem Palast späht und diese Szene sieht. Er verliebt sich sofort in die schöne Bathseba und will sie besitzen. Leider ist sie schon verheiratet. Also ersinnt sich David eine List – eine ziemlich fiese. Er schickt Bathsebas Ehemann, Uria – ein Soldat aus Davids Armee – in eine blutige Schlacht, in der Uria umkommt, und David heiratet dann die Witwe.
>mehr über König David und Bathseba
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Fotos / Diashow
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