Ausstellung «Close-up»
Fondation Beyeler, Riehen, 19.9.21-2.1.22

 

Geballte Frauenpower
in der Porträtier-Kunst


Jahrhundertelang hatten die Frauen zu kämpfen, um als Künstlerinnen anerkannt zu werden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts schafften das einige wenige. Ihr Ruhm hielt sich jedoch in Grenzen – verglichen mit männlichen Kollegen.

 

Die Ausstellung in der Fondation Beyeler stellt diese Frauen nun in den Mittelpunkt. Sie präsentiert nicht weniger als neun Künstlerinnen, denen eines gemeinsam ist: Die Liebe zu Porträts und zu Selbstporträts.

 

Die Berühmteste in diesem Sektor ist sicherlich die Mexikanerin Frida Kahlo – ihre Selbstporträts sind legendär. Aber auch Berthe Morisot oder Paula Modersohn-Becker haben es mit ihren Selfies zu Ruhm und Anerkennung gebracht.

 

 

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Ausstellungsplakat.

 

 

 

Die Ausstellung ist aufschlussreich und spannend, weil sie neben Stars wie Frida Kahlo oder Berthe Morisot auch hierzulande weniger bekannte Künstlerinnen präsentiert: Lotte Laserstein, Alice Neel oder die noch aktiven Jüngeren wie Marlene Dumas (1953), Cindy Shermann (1954) und Elizabeth Peyton (1965).

 

 

 

 

 

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Kuratiert wurde die bis zum 2. Januar 2022
laufende Ausstellung durch die Chefkuratorin der Fondation Beyeler, Theodora Vischer.


 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Lotte Laserstein (1898-1993).

Russisches Mädchen mit Puderdose, 1928.

Städel Museum Frankfurt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Künstlerinnen geordnet nach Geburtsjahr

 

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Berthe Morisot (1841-1895). Autoportrait, 1885. Musée Marmottan Monet Paris.

 

 

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Berthe Morisot (1841-1895). Devant la psyché, 1890. Sammlung Fondation Pierre Gianadda, Martigny.

 

 

Berthe Morisot (1841-1895)

 

Die französische Künstlerin ist die erste Frau, die bei den Impressionisten mitwirkt – mehr noch, sie ist sogar Mitbegründerin dieser Gruppe (der auch Monet, Pissarro, Degas, Cézanne u.a. angehören)

 

>mehr über die Impressionistengruppe

 

Morisot beteiligt sich schon an der ersten Ausstellung 1874 und lässt bis 1886 nur eine aus.

 

Etwa um 1868 lernt sie >Edouard Manet kennen. Wie eng ihre Beziehung zu ihm ist, weiss man nicht, sicher ist aber, dass sie ihm mehrfach Modell steht: Manet malt von ihr insgesamt elf Porträts.

 

1874 heiratet sie dessen Bruder Eugène – sie ist also die Schwägerin des berühmten Edouard Manet.

 

Der Tod von Edouard Manet 1883 verunsichert sie in ihrem künstlerischen Schaffen. Sie beginnt zu reisen und nimmt auch mit anderen Künstlern Kontakt auf, so zu >Pierre-Auguste Renoir. Dieser rät ihr, es mit Aktbildern zu versuchen. Ihr Gemälde «Vor dem Spiegel» von 1890 ist ein schönes Beispiel dafür.

 

 

>mehr über Berthe Morisot

 

 

   

 

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Mary Cassatt (1844-1926). Woman with a Pearl Necklace in a Loge, 1879. Philadelphia Museum of Art.

 

 

 

 

Mary Cassatt (1844-1926)

 

Die Amerikanerin aus Pittsburgh, Pennsylvania, lässt sich 1874 in Paris nieder und gerät damit in die Epoche, in welcher die Gruppe der >Impressionisten von sich reden macht, bei der Berthe Morisot Gründungsmitglied ist. Was Cassatt den Europäerinnen voraus hat: Als US-Frau denkt sie selbstbewusst und bereits emanzipiert.

 

Sie schafft es, Bilder im >Salon de Paris unterzubringen und lernt dort >Edgar Degas kennen. Dieser führt sie auch ins Umfeld der Impressionisten. Cassatt malt mit Vorliebe häusliche Szenen, Frauen im privaten Bereich oder Mutter mit Kind. Ihr softes Gemälde «Frau in einer Loge» von 1879 weicht von diesen Themen ab und zeigt eine elegante Theaterbesucherin in der Öffentlichkeit – ganz ohne Mann an ihrer Seite.

 

 

   

 

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Paula Modersohn-Becker
(1876-1907). Selbstbildnis nach halbrechts, die Hand am Kinn, 1906. Paula-Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen.

 

 

Paula Modersohn-Becker (1876-1907)

 

Sie malt zwar auch Landschaften und Stillleben, aber berühmt ist sie vor allem für ihre Porträts und Selbstporträts. Von Anfang an lehnt sie es ab, «exakt nach der Natur» zu malen, wie es damals verlangt wurde, und bevorzugt rudimentäre Formen und satte Farben. Auch wenn ihr Stil damals als «Schmiererei» beschimpft wird. 

 

1901 heiratet sie in Worpswede bei Bremen den Maler Otto Modersohn. In ihm findet sie den Mann, der an sie glaubt und sie gegen ihre ärgsten Kritiker verteidigte. Er ist auch ihr Sponsor, damit sie in ihrem Pariser Atelier frei arbeiten kann.

 

 

>mehr über Paula Modersohn-Becker

 

 

   

 

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Lotte Laserstein (1898-1993). Mutter und
Kind, 1926. Privatsammlung.

 

 

 

Lotte Laserstein (1898-1993)

 

Die Werke der Berlinerin stehen im Zeichen des Realismus und lassen eine sorgfältige Malweise erkennen, was auf eine gute akademische Ausbildung schliessen lässt. Laserstein wählt für ihre Porträts das Umfeld der Grossstadt Berlin und zeigt mit Vorliebe die «neue Frau» im modernen Alltag, wie sie auch in Magazinen präsentiert wird.

 

In einigen ihrer Bilder kommt auch ein Stil zum Tragen, der sich >Neue Sachlichkeit nennt. Dieser Stil hat seine Anfänge in Deutschland in den frühen 1920er-Jahren.

 

 

   

 

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Alice Neel
(1900-1984). Andy Warhol, 1970. Whitney Museum of American Art,
New York.

 

 

Alice Neel (1900-1984)

 

Die in Pennsylvania geborene Amerikanerin gilt als klassische Porträtmalerin und ist zunächst beeinflusst von der Tradition des amerikanischen Realismus.

 

1970 schafft sie ein berühmtes Werk, das einen nachdenklichen >Andy Warhol nach dem 1968 wundersam überstandenen Mordanschlag zeigt: Halb nackt, mit Narben an Brust und Bauch und einem Stützkorsett, das er danach zeitlebens tragen musste.

 

 

>mehr über das Attentat auf Warhol

 

 

 

   

 

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Frida Kahlo (1907-1954). Autoretrato -
El marco, 1938. Centre Pompidou Paris.

 

 

 

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Frida Kahlo (1907-1954). Selbstporträt mit Bildnis des
Dr. Farill, 1951. Hauser & Wirth Collection.

 

Frida Kahlo (1907-1954)

 

Die berühmteste Malerin Mexikos – und wahrscheinlich ganz Südamerikas. Ihr Vater ist ein Deutscher, die Mutter eine Mexikanerin. Fridas Leben ist eine einzige Tragödie. Sie erkrankt schon als Sechsjährige an Kinderlähmung und hinkt fortan.

 

Als sie dann als Teenager Opfer eines grässlichen Busunglücks wird, ist ihr physisches Leben so gut wie zerstört: Eine Stahlstange hat sich durch ihr Becken gebohrt. Von nun an lebt sie mit Behinderung und ständigen Schmerzen, wird von Arzt zu Arzt gereicht. 

 

Frida malt und malt, um damit ihre körperlichen und seelischen Qualen zu verdrängen und zu verarbeiten. Aber nicht nur deshalb – sie möchte auch als Künstlerin anerkannt werden. Darauf muss sie lange warten: Erst 1953 – da ist sie schon 46 und hat nur noch ein Jahr zu leben – bekommt sie endlich ihre erste Einzelausstellung in Mexiko. Zu dieser Zeit ist sie bereits permanent ans Bett gefesselt. 

 

 

>mehr über Frida Kahlo

 

 

   

 

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Marlene Dumas (1953). Bride, 2018. Glenstone Museum Potomac, Maryland.

 

 

Marlene Dumas (1953)

 

Sie wächst in Südafrika auf und studiert dort an der Universität Kapstadt visuelle Kunst. 1977 emigriert sie in die Niederlande, vertieft ihr Kunststudium in Haarlem im «Atelier 63» und arbeitet dann in Amsterdam.

 

Ihre Hauptthemen sind die menschliche Figur und Porträts. Die Ideen und Anregungen dazu holt sie sich in Fotografien aus Magazinen und Film.

 

In ihrem exklusiven Malstil transformiert sie die Aufnahmen zu teilweise verstörenden, abstrakten, aber stets faszinierenden Gemälden. Ihre Kernthemen sind dabei Liebe, Sex, Tod und Trauer. Ihre Werke befinden sich heute in bedeutenden Museen – vom Centre Pompidou in Paris bis zum MoMa New York.

 

Einige ihrer Gemälde waren bereits 2016 in der Schweiz zu sehen: Im Kunstmuseum St. Gallen in der Ausstellung >The Dark Side of the Moon.

 

 

   

 

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Cindy Sherman (1954). Untitled, 1993. Chromogener Farbabzug. Fondation Louis Vuitton Paris.

 

 

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Untitled, 1981.

 

 

Cindy Sherman (1954)

 

Sie kommt in New Jersey zur Welt und wächst in Huntington New York auf. Anfangs interessiert sie sich für Malen, Zeichnen und Skulptur und beginnt ein Kunststudium in Buffalo, aber dann entdeckt sie die Fotografie als künstlerisches Medium. In ihrem New Yorker Studio inszeniert sie Frauen – von der einfachen Hausfrau über Clowns und Vamps bis zu Hollywoodstars. Mit bemerkenswertem Erfolg.

 

Ihre Fotografien erzielen Spitzenpreise. 2011 wird beim Auktionshaus Christie’s eine ihrer Arbeiten für 3.9 Millionen US-Dollar versteigert: «Untitled», 1981, das 61 x 122 cm grosse Bild zeigt eine auf dem Rücken liegende und von oben fotografierte voll bekleidete Frau. >Quelle: Christie's

 

2012 bietet ihr das MoMA in New York eine gross angelegte Ausstellung unter dem Titel «Cindy Sherman – a retrospective».

 

 

   

 

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Elizabeth Peyton (1965). Lara, Garden, Autumn, 2020. Privatsammlung.

 

Elizabeth Peyton (1965)

 

Die Amerikanerin studiert von 1981-87 an der School of Visual Arts in New York. Als Vorlage für ihre Ölgemälde verwendet sie Schnappschüsse von Freunden, Bilder aus Magazinen und Büchern, Plattencover und Stills aus Musikvideos. Neben persönlichen Bekannten malt sie auch weltweite Berühmtheiten wie Schauspieler, Schriftsteller und Musiker – auch solche, die sie sie nicht persönlich kennt. So zum Beispiel Leonardo DiCaprio, David Hockney, Oscar Wilde, Prinzessin Diana oder Prinz Harry.

 

Seit 2015 ist Peyton Professorin für Malerei
an der Kunstakademie Düsseldorf.

 

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Ausstellung «Close-up» Beyeler 2021

 

   

 

 

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