Okay, beim Stichwort «venezianische Malerei» denkt man nicht in erster Linie an Paris Bordone. Und doch gehört er zum erweiterten Kreis der Superstars jener Epoche des 16. Jahrhunderts. Angeführt vom «Dreigestirn» Tizian, Tintoretto und Veronese. Was macht Paris Bordone so besonders? Es ist seine überragende Fähigkeit, weibliche Porträts zu malen. Auf diesem Sektor tritt er in die Fussstapfen des zwanzig Jahre älteren >Jacopo Palma d.Ä. Weil dieser bereits 1528 verstirbt, braucht er ihn als Konkurrent nicht mehr zu fürchten.
Paris Bordone (1500-1571). Junge Dame
mit Spiegel und Magd, 1535-1540.
Kunsthalle Hamburg.
Bordone kommt 1500 in Treviso zur Welt (etwa 30 km nördlich Venedig). Über seine Kindheit ist nicht viel bekannt. Als 16-jähriger soll er bei >Tizian in die Schule gegangen sein. Laut Kunsthistoriker >Vasari war er dort aber nicht besonders glücklich – er soll sich von seinem Lehrmeister zu wenig betreut gefühlt haben – und so verlässt er den grossen Meister nach zwei Jahren wieder und bildet sich selbst weiter. Sein malerisches Vorbild: >Giorgione. Immerhin gilt Paris Bordone heute als der bekannteste Vertreter der venezianischen Malerei, die von Tizian eine Ausbildung erhielten.
In seiner Heimatstadt Treviso, aber auch in Venedig, schafft Bordone in der Folge zahlreiche Gemälde mit biblischem und mythologischem Inhalt.
1538 zieht er nach Paris und tritt dort in die Dienste des französischen Königs François I (des «Ritterkönigs», der zeitlebens in kriegerischen Verwicklungen mit Italien, insbesondere Mailand, steht). An seinem Hof fertigt Bordone Porträts von Herzögen, Kardinälen und Höflingen. Von diesen Werken fehlt aber heute in öffentlichen Museen jede Spur. Vielleicht fristen sie ihr Dasein in Privatsammlungen.
1540 erhält er von der ebenso berühmten wie reichen Bankiers- und Handelsfamilie der Fugger die Einladung, ihr Schloss in Augsburg auszumalen. Auch diese Werke sind nicht mehr vorhanden.
Nach den beiden Abstechern ins Ausland kehrt Bordone nach Venedig zurück. Von 1540 bis 1570 malt er eine grosse Menge Bilder zu biblischen und mythologischen Motiven. Sein persönliches Motiv scheint dabei die eigene Lust gewesen zu sein, nackte oder mindestens teilweise entblösste Frauen abzubilden. Er stellt sie lieblich und reizend dar, auf seine Weise auch elegant, und immer idealisierend.
Von 1540 bis zu seinem Tod wohnt und arbeitet er in Venedig. Über die Ursachen seines Todes (1570 oder im Januar 1571, je nach Quelle) sind keine weiteren Details bekannt.
Titelbild (Ausschnitt)
Paris Bordone (1500-1571).
Venezianisches Liebespaar, 1525-30.
Pinacoteca di Brera.
>Jacopo Palma d.Ä. (1480-1528)
>Jacopo Tintoretto (1518-1594)
Paris Bordone (1500-1571). Heilige Familie mit Hl. Katharina, 1520-22. Hermitage Museum St.Petersburg.Madonna mit Kind, Johannes dem Täufer und Hl. Georg, 1530. Puschkin Museum Moskau. |
1520: Biblische Werke
Zu Bordones Frühwerken gehören biblische Darstellungen wie «Sacra Conversazione», «Heilige Familie» oder «Madonna mit Kind», die heute verstreut in vielen europäischen Museen zu sehen sind.
Das Ölbild hier, 69 x 89 cm, zeigt die «Holy Family» mit der Heiligen Katharina von Alexandrien. Hermitage Museum St. Petersburg.
Für die Kirche San Agostino in Crema malt Bordone 1525-26 ein Altarbild (Crema ist eine Stadt in der Lombardei südöstlich von Mailand).
Der Auftraggeber für das 90 x 120 cm grosse Gemälde «Madonna mit Johannes dem Täufer und dem Heiligen Georg» sowie sein erster Besitzer oder Standort sind unbekannt. Heute ist es im Besitz des Puschkin Museums in Moskau. |
Paris Bordone (1500-1571). Consegna dell'anello al doge, 1534. Gallerie dell'Accademia, Venezia. |
1534: Grossformatiges Meisterwerk
Monunmentalbilder sind bei Bordone eine Rarität. Dieses malt er 1534-1535 für die «Scuola di San Marco» in Venedig. (Die «Scuola» war keine Schule, sondern der Sitz der Laienbruderschaft des Heiligen Markus).
Die «Übergabe des goldenen Ringes an den Dogen» heisst dieses 3.7 x 3.0 Meter grosse Werk. Hintergrund ist eine venezianische Legende: Als Venedig 1340 von einer grossen Flut bedroht wurde, sollen es die Stadtheiligen Markus, Nikolaus und Georg gewesen sein, die das Meer beruhigten. Danach liessen sie sich von einem Fischer wieder in die Stadt fahren. Der hl. Markus gab dem Fischer einen goldenen Ring mit dem Auftrag, diesen an den Dogen der Stadt auszuhändigen.
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Paris Bordone (1500-1571). Portrait of a Young Lady, 1540-1560. Museo Thyssen- Bornemisza, Madrid.
Flora, 1540. Musée du Louvre, Paris.
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Bordones elegant-sinnliche Damenwelt
Die wenigstens Künstler der Renaissance konnten der Versuchung widerstehen, nackte weibliche Körper zu malen. Normalerweise bedienten sie sich des «Tricks», Motive aus der griechisch-römischen Mythologie darzustellen. Damit konnten sie sich dem Schussfeld der Kirche entziehen.
Es gab aber noch einen Ausweg: Wenn man eine Sünderin nackt zeigte, dann ging das auch. Wie am Beispiel der sündigen >Maria Magdalena, die von zahllosen Künstlern verarbeitet wurde.
Bordone wagt sich aber auch an elegante Damen der guten Gesellschaft – Bräute oder frisch Verheirate, die er mit entblössten Brüsten zeigt. Alle seine Damen stellt er idealisierend dar, und dies auf eine sinnlich-erotische Weise.
Dabei verpasst er den abgebildeten Frauen – wie am Beispiel der «Flora» von 1540, die heute im Louvre zu sehen ist – durchaus charakterstarke und selbstbewusste Ausdrucksweisen, was ihn von seinem «Frauenmaler»-Vorgänger (oder Vorbild?) >Jacopo Palma d.Ä. (1480-1528) deutlich abhebt.
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Paris Bordone (1500-1571). Venere dormiente con Cupido, 1540. Ca'd'Oro Venezia.
Paris Bordone (1500-1571). Venus und
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Auf den Spuren Giorgiones
Nach seiner «Lehre» bei Tizian beschäftigt sich Bordone intensiv mit den Werken von Giorgione, dem «grossen Giorgio». Dabei muss er auch dessen >schlafende Venus studiert haben (heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden). Während sich Giorgiones nackte Venus in der Landschaft räkelt, fügt Bordone seiner Schlafenden noch die Figur des Amor bei. Zudem malt er seine Venus deutlich fülliger.
In einer weiteren Version – fünf Jahre später entstanden – schiesst der kleine Amor einen Pfeil auf die nun wache Venus ab. Dieses Bild ist vor allem deshalb berühmt, weil es Adolf Hitler 1936 für seine Privatresidenz im Berghof Berchtesgaden kaufte und über das Cheminée hängte. Nach dem Krieg gelangte das Bild 1946 als Bestandteil von Reparationen für zerstörte Kunstwerke in Polen an das Nationalmuseum von Warschau.
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Paris Bordone (1500-1571). Der Raub der Proserpina, 1570. Fondation Bem-berg, Toulouse. |
Der Raub der Proserpina
Eines von zahlreichen Werken Bordones mit mythologischem Gehalt. Die Geschichte stammt vom römischen Dichter Ovid, der von 43 v. Chr. bis 17 n. Chr. lebte.
Proserpina ist die Tochter von Ceres, der Erdgöttin und Göttin des Kornes. Pluto, der Herr der Unterwelt, verliebt sich in Proserpina. Er raubt sie und entführt sie in die Welt der Toten. Dort macht er sie zu seiner Gattin. Damit ist Mutter Ceres gar nicht einverstanden...
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Fotos / Diashow
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