Georges Braque (1882-1963)

 

Ist er nun der «Vater des Kubismus»? Manche sehen das so. Andere halten eher Picasso für dessen «Erfinder». Sicher ist: die beiden Grössen der Avantgarde werden diesbezüglich in einem Atemzug genannt.

 

 

Georges Braque um 1908.

Foto ©georgesbraque.fr

 

 

Georges Braque kommt am 13. Mai 1882 in Argenteuil (Banlieue nordwestlich von Paris) zur Welt. Mit der Kunst gelangt er schon früh in Kontakt: Sein Vater ist Maler und Dekorateur. Zu Beginn arbeitet er im väterlichen Geschäft. Dann schreibt er sich mit 17 an der École Supérieure d'art du Havre ein, zieht dann nach Paris und erlernt dort das Handwerk eines Kunstmarmor-Schleifers. Nach der Absolviering seines Militärdienstes tritt er in die Humbert-Akademie in Paris ein.

 

Mit Malen beginnt er um die Jahrhundertwende, da ist er 18jährig. Zunächst mal er im impressionistischen Stil. Die Bilder aus dieser Zeit werden aber alle zerstört. Ab 1905 wendet sich Braque dem Fauvismus zu.

 

Am Salon d'Automne möchte er seine Werke ausstellen – sie werden aber von der Jury abgelehnt. Nun lernt Braque den Galeristen und Kunsthistoriker Daniel-Henry Kahnweiler kennen. Der Galerist richtet ihm eine Einzelausstellung aus.

 

Gleichzeitig macht ihn Kahnweiler mit Pablo Picasso bekannt. In dessen Atelier in Paris entdeckt Braque ein Gemälde, das ihn fasziniert. Es ist das (heute weltberühmte) Bild der «Demoiselles d'Avignon». Braque erkennt darin Elemente für den späteren Kubismus.

 

 

Pablo Picasso (1881-1973).
Les Demoiselles d'Avignon, 1907.
Museum of Modern Art, New York.


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Zusammen mit Picasso beschäftigt er sich bis 1911 weiter mit dem Kubismus, entfernt sich dann aber langsam von diesem und entwickelt seinen eigenen Stil – er malt nun vermehrt Stillleben.

 

Vor allem mit seinen kubistischen Werken übt er einen starken Einfluss auf die zeitgenössische Kunst aus. Er produziert mehr als 400 Gemälde und nochmal so viele weitere Werke wie Skulpturen, Collagen und Zeichnungen.

 

Im Ersten Weltkrieg wird er auf dem Schlachtfeld schwer am Kopf verwundet und kann seine künstlerische Tätigkeit erst 1917 wieder aufnehmen.

 

1930 baut er sich ein Landhaus im Badeort Varengeville-sur-Mer in der Normandie. 1933 bietet ihm die Kunsthalle Basel seine erste Retrospektive und zeigt darin die bisher entstandenen Werke.


Noch vor dem Zweiten Weltkrieg diffamieren die Nazis eine Reihe von Braque-Werken als
>entartet (mehr). Viele werden aus öffentlichen Sammlungen entfernt und beschlagnahmt.

 

In der Kriegszeit von 1939-1945 und unmittelbar danach widmet er sich intensiv der Bildhauerei. Es entstehen auch zahlreiche Stillleben.

 

1955 nimmt er an der Documenta Kassel teil und ein zweites Mal 1959. Im selben Jahr wird Georges Braque in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

 

In seinen letzten Jahren arbeitet er mehrheitlich an kleinen Formaten.


George Braque stirbt am 31. August 1963 in seiner Pariser Wohnung im Alter von 81 Jahren. Seine Grabstätte liegt auf dem Friedhof von Varengeville-sur-Mer in der Normandie.



 

Titelbild (Ausschnitt)
Georges Braque (1882-1963).
La Guitare, 1913-14. Privatbesitz.
Kunsthaus Zürich.

 

 

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Georges Braque (1882-1963). Schiff in Le Havre, 1905. Stiftung Sammlung E.G. Bührle.

 

 

 

1905: Start im Stil der Fauvisten

 

Vom «Kubisten Braque» ist in seinen künstlerischen Anfängen noch nicht die Rede. Mit Malen beginnt er um die Jahrhundertwende, zunächst in impressionistischem Stil. Von diesen Werken sind aber keine erhalten geblieben. Um etwa 1905 entstehen seine ersten fauvistischen Werke – inspiriert von >Henri Matisse und >Alain Derain.

 

 

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Georges Braque (1882-1963). Grand nu,
1907. Centre Pompidou Paris.

 

 

 

Georges Braque (1882-1963). Paysage, 1908. Kunstmuseum Basel.

 

 

1907: Braques Weg zum Kubismus

 

Wie kommt Braque zum Kubismus? 1907 soll er das Atelier von Pablo Picasso in Paris besucht und dort das eben fertig gewordene Bild >Les Demoiselles d'Avignon gesehen haben. Von dieser Arbeit ist er zwar fasziniert, aber wenig begeistert. Braque fühlt sich herausgefordert. «Das geht besser», muss er sich gesagt haben und malt als Antwort seinen «Grossen Akt», die «Grand nu». Aber so richtig kubistisch ist es noch nicht – da sind noch zuviele (weibliche) Rundungen.

 

Braque reicht seine «Grand nu» zusammen mit anderen Werken beim «Salon d'Automne 1907» ein – aber die Jury lehnt alle seine Bilder ab. Mit in der Jury sitzt ein gewisser Henri Matisse.

 

Nun schaltet sich der Galerist und Kunsthistoriker
Daniel-Henry Kahnweiler ein und organisiert 1907 in seiner Galerie für Braque eine Einzelausstellung.

 

Diese Ausstellung wird als erste kubistische Schau überhaupt bekannt und zeigt 27 Werke von Braque. Darunter seine ersten kubistischen Stillleben – und natürlich seine «Grand nu». Die Leute sind geschockt, auch die «Grand nu» findet keinen Käufer.

 

Als Braque 1908 Südfrankreich bereist – auf den Spuren des bereits 1906 verstorbenen Paul Cézanne – enstehen dort seine ersten kubistischen Landschaften.

 

 

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Georges Braque (1882-1963). Le Viaduc à l'Estaque, 1908. Centre Pompidou Paris.

 

Georges Braque (1882-1963). Häuser in l'Estaque, 1908. Kunstmuseum Bern.

 

 

Die ersten «echten» kubistischen Werke?

 

Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung (1908) gibt es den
Begriff «kubistisch» noch gar nicht. Nach heutiger kunsthistorischer Betrachtung zählen Braques Gemälde

Le Viaduc de l’Estaque und Häuser in l’Estaque zu den ersten kubistischen Werken.

 

 

Wer prägte den Ausdruck Kubismus?

 

Da gibt es einerseits den Maler >Henri Matisse, der 1908 als Jurymitglied im Pariser «Salon d'Automne» sitzt. Er berichtet etwas spöttisch über ein Gemälde von Georges Braque, das nur aus «petits cubes» bestehe.

 

Dann doppelt der Kunstkritiker Louis Vauxelles in einem Bericht zum >Salon des Indépendants im Jahr 1909 nach:

 

«Monsieur Braque réduit tout, sites, figures et maisons à des schémas géométriques, à des cubes».

 

Damit ist der Begriff «Kuben» geboren und geht in die Kunsthistorie ein – obwohl sich weder Braque noch Picasso je als «Kubisten» bezeichnet haben wollen.

 

 

 

Georges Braque (1882-1963). La Guitare Statue d'épouvante, 1913. Collage. Musée national Picasso Paris.

 

1913: Collagen à la Braque

 

In dieser Phase experimentiert Braque mit Papieren, die er zu Collagen mit Kohlezeichnungen verarbeitet. Sie bestehen aus Zeitungsausschnitten, schablonierten Wörtern und Plakatelementen. Der Titel dieses Werkes bezieht sich auf die «Statue d'épouvante» (Horror-Statue). Dazu kommen «Éclair-Journal» (filmische Wochenschau) und «Timbre rare» (seltener Ton). Dieser hat einen Bezug zur Gitarre.

 

Die aus Papier geformte Gitarre im Zentrum des Bildes wird mit Kohlestift komplettiert, um die Saiten und die Rosette des Instruments anzudeuten. Über dem ganzen Bild thront der Schriftzug «CONCERT».

 

 

Georges Braque (1882-1963). La Cheminée, 1928. Kunsthaus Zürich.

 

Avantgardistische Stillleben

 

Im Ersten Weltkrieg wird Braque auf dem Schlachtfeld schwer am Kopf verletzt und ist danach lange rekonvaleszent. Erst 1917 kehrt er nach Paris zurück und nimmt seine künstlerische Tätigkeit wieder auf.

 

Er entfernt sich vom Kubismus nach und nach und entwickelt nun seinen eigenen Malstil, vor allem mit Stillleben.

 

1922 kann er am Salon d’Automne in Paris in einem eigenen Saal ausstellen und alle achtzehn gezeigten Arbeiten verkaufen.

 

 

 

Flugblatt für die Ausstellung «Entartete Kunst» 1937 München.

 

Als «entartet» diffamiert

 

In den 1930er-Jahren diffamieren die Nazis Werke von Georges Braque (und anderer Künstler) als «entartet». Dazu gehören seine Arbeiten im Stil des Fauvismus und des Kubismus. 1937 zeigen die Nazis einige davon in der Ausstellung «Entartete Kunst» in München.

 

Diese Diffamierung muss den Künstler getroffen haben. In den 1940er-Jahren malt er wieder vermehrt Stillleben in realistischem Stil.

 

 

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Georges Braque (1882-1963). Schilfrohre, Efeu und Fische, 1941. Stillleben aus der Sammlung Batliner in der Albertina Wien.

 

1941: Vermehrt realistisch

 

Braques Stillleben aus dieser Phase – er ist jetzt in den Sechzigern – kommen zwar in avantgardistischem Stil daher, sind jetzt aber wieder realistisch und figurativ. Braque sagt: «Der Maler denkt in Formen und Farben. Durch die Malerei verleiht er den Objekten neues Leben».

 

Auffallend ist, dass in seinen Stillleben dieser
Lebensphase stets wiederkehrende Elemente auftauchen: Tische, Vasen, Pflanzen und Fische.

 

Die beiden Gemälde der Sammlung Batliner sind typische Beispiele für diese Schaffensperiode.

 

 

 

Georges Braque (1882-1963). Glasfenster des Chores der Saint-Valery-Kirche von Varengeville, 1954.

 

 

 

1954: Glasfenster für die Kirche Saint Valery

 

Varengeville-sur-Mer ist eine französische Gemeinde
in der Region Normandie. Dort hat sich Braque in den 1930er-Jahren ein Haus gebaut.

 

1954 schafft er für die dortige Kirche Saint-Valery ein eindrückliches Glasfenster, das den Stammbaum Christi darstellt. In Varengeville-sur-mer befindet sich auch das Grab von Georges Braque.

 

«Ich möchte im Einklang mit der Natur sein

und sie nicht nur kopieren.»

 

Das sind George Braques Worte an der Mauer des kleinen Friedhofs, der hoch über dem Meer liegt.

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