Er gehört der berühmten Bündner Kunstfamilie an, die aus dem Bergdorf Stampa stammt. Giovanni ist der Vater des international renommierten >Alberto Giacometti und gilt als Mitbegründer des Schweizer Postimpressionismus zusammen mit Cuno Amiet.
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Giovanni Giacometti im Alter von
etwa 40 Jahren. Selbstporträt.
Kunst Museum Winterthur.
Als viertes Kind (von acht) des Ehepaares Alberto und Caterina Ottilia Giacometti-Santi kommt er am 7. März 1868 in Stampa zur Welt. Von 1884-86 besucht der die Kantonsschule in Chur.
Sein Zeichenlehrer erkennt sein Talent und empfiehlt ihm, in München die Kunstgewerbeschule zu besuchen – nachdem ihn die Münchner Kunstakademie mit der Begründung «mangelnde Vorbildung» nicht annimmt. In der >alten Pinakothek München kopiert er alte Meister, aber ohne grosse Begeisterung. Lieber würde er sich im Kreis der Pariser Künstler weiter ausbilden.
Das tut er dann bei >William Bouguereau an der >Académie Julian in Paris, aber Geldmangel zwingt ihn, Paris 1891 wieder zu verlassen. 1893 macht er einen Abstecher nach Rom.
1894 lernt er in Maloja >Giovanni Segantini kennen, der ihn fördert – als Mentor und Freund. Giovanni wird zunächst von Segantinis Stil des Divisionismus beinflusst, auch wenn er nicht dessen ultra-feine Striche übernimmt, sondern mit groben Strichen und Flecken arbeitet. Nach ein paar Jahren löst er sich langsam vom Divisionimus und experimentiert auf der Suche nach dem eigenen Stil mit mehreren Malstilen – und neuen Materialien. So verwendet er z.B. auch Eternit als Bildträger.
Seine ersten Erfolge erzielt er 1898 an einer Ausstellung mit >Cuno Amiet und >Ferdinand Hodler im damaligen Künstlerhaus Zürich – das Kunsthaus steht noch nicht.
Im Jahr 1900 heiratet er Annetta, geborene Stampa. Mit ihr hat er die Kinder Alberto (1901), Diego (1902), Ottilia (1904) und Bruno (1907). Bis 1904 lebt die Familie im Bergdorf Borgonovo im Bergell, dann zieht sie ein Haus in Stampa, wo Giovanni den Stall als Atelier nutzt.
Den Sommer verbringt die Familie regelmässig in Capolago bei Maloja. 1908 erhält Giacometti die Einladung, gemeinsam mit Künstlern der Künstlergruppe >Brücke in Dresden auszustellen.
Nach dem Besuch einer Cézanne-Retrospektive in Paris setzt er sich auch mit dessen Werk auseinander. Auch Ferdinand Hodlers Schaffen beeindruckt ihn. Sein persönlicher Stil verändert sich langsam, weg von Segantinis Divisionismus: Nun entstehen etwa ab 1912 farbstarke Gemälde aus leuchtenden Farbflecken. Sie basieren auf dem persönlichen Erleben des Künstlers seiner Bergeller Heimat: Landschaften, Gärten, Menschen, dörfliche Szenen.
Giovanni Giacometti stirbt am 25. Juni 1933
in Glion bei Montreux, nachdem er im dortigen Sanatorium Erholung von einem Nierenleiden gesucht hat. Er ruht in seiner Heimatgemeinde Stampa.
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Titelbild (Ausschnitt)
Giovanni Giacometti (1868-1933).
Engadiner See, 1906-07.
Kunsthaus Zürich.
Giovanni Segantini (1858-1899)
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Segantini als Vorbild
1894 lernt Giacometti in Maloja den zehn Jahre älteren >Giovanni Segantini kennen, der sein Mentor und Freund wird. In ihm sieht Giacometti ein künstlerisches Vorbild: dessen Malweise im Stil des >Divisionismus gefällt ihm.
Er übernimmt von Segantini die Idee der feinen Pinselstriche, die sich zu einem Bild formen. Segantini beginnt mit seinem Werk Le due madri in seinem Todesjahr 1899, kann es aber nicht mehr fertigstellen. Das besorgt dann bis 1900 Giovanni Giacometti, indem er sich genau an Segantinis Malstil hält.
Ein Jahrzehnt später entsteht Giacomettis Werk «Zwei Kinder auf einer Wiese». In diesem Bild lehnt er sich ganz an den Segantini-Stil mit den feinen Strichen an. Das scheint aber eher eine Ausnahme zu sein, denn die meisten anderen Giacometti-Gemälde bestehen nicht aus feinen Strichen, sondern aus Punkten. Mal fein, mal grob.
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Giovanni Giacometti (18681933). Engadiner See, 1906-07. Kunsthaus Zürich.
Giovanni Giacometti (1868-1933). Winternebel (Maloja), 1910. Kunsthaus Zürich. |
Giacomettis eigener Divisionismus
Für dieses Werk aus dem Jahr 1906/07 entscheidet sich Giovanni Giacometti für Punkte.
Es heisst «Engadiner See» und besteht aus zahllosen groben Punkten aus reinen Farben, die er für Himmel, Wolken, Bergzüge, Wasser und Wiesen verwendet. Im Detail ist jeder einzelne Punkt gut zu erkennen, aus der Distanz verschmelzen die Farbpunkte zu Flächen.
Im Werk «Winternebel» von 1910 sind es dann ganz feine Farbpunkte und -Striche, aber doch deutlich grober als die feinen Striche seines Mentors Segantini.
Das bedeutet: Von Segantini übernimmt Giacometti die Idee des Divisionismus, aber er gibt diesem Malstil seinen eigenen Touch.
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Giovanni Giacometti (1868-1933). Pensierosa, 1913. Privatbesitz. Ausstellung Ottilia 2020, Kunsthaus Zürich.
Spielende Kinder, 1912. Kunsthaus Zürich. |
1913: Die Loslösung vom Divisionismus
Auch nach dem Tod Segantinis im Jahr 1899 arbeitet Giacometti ein gutes Jahrzehnt mit divisionistischen Elementen, aber langsam löst er sich davon.
An die Stelle der Malerei mit Punkten oder Strichen treten jetzt vermehrt Farbflächen. In diesem Gemälde «Pensierosa» aus dem Jahr 1913 lässt sich Giacomettis Loslösung vom Divisionismus gut erkennen. Giacometti malt die junge Frau (es könnte seine Tochter Ottilia sein) in breiten Strichen, die sich zu Farbflächen verdichten.
Noch deutlicher kommt die Loslösung vom Divisionismus im Gemälde «Spielende Kinder» zum Ausdruck. Die bisherigen Punkte und Striche machen nun leuchtenden Farbflächen Platz. Die Gesichter der Figuren sind nur noch angedeutet. Das Bild nähert sich dem >Expressionismus.
Von nun an gibt es in Giacomettis Schaffen kaum noch divisionistische Werke.
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Giovanni Giacometti (1868-1933). Ottilia , 1923. Privatbesitz. |
1923: Portrait der Tochter Ottilia
Dieses Portrait seiner 19-jährigen Tochter Ottilia schmückt der Künstler mit blumigen Ornamenten, die dem >Jugendstil entlehnt sind.
Das Gesicht seiner 19jährigen Tochter Ottilia malt Giovanni Giacometti mit groben Pinselstrichen, die sich zu farbigen Flächen zusammensetzen. Damit nähert er sich dem französischen >Post-Impressionismus an.
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Giovanni Giacometti (1868-1933). Der Bildhauer (Annetta und Alberto), 1923. Alberto Giacometti-Stiftung, Kunsthaus Zürich. |
1923: Der Bildhauer Alberto
Der Divisionismus ist definitiv überwunden. Nun trägt Giovanni Giacometti die Farben expressiv auf, in Form von Farbflecken, die er nebeneinander setzt. Auf eine detaillierte Ausführung verzichtet er.
Trotzdem gelingt es ihm, dem Gesicht der Hauptfigur (Alberto, rechts) einen starken Ausdruck zu verleihen. Man erkennt die volle Konzentration Albertos, mit der er sein Modell (Mutter Annetta) intensiv betrachtet, währenddem seine Hände mit der Formung der Plastik beschäftigt sind. Diese schaut er gar nicht an – so, als würden seine Hände das Erkundete automatisch auf die entstehende Skulptur übertragen.
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Giovanni Giacometti (1868-1933). Paesaggio d'inverno, 1933. Kunsthaus Zürich. Legat Bruno Giacometti.
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1933: Winterlandschaft
In diesem Spätwerk kommt Giovanni Giacomettis grosse Liebe zur Bergeller Bergwelt zum Ausdruck.
Licht und Stimmungen spielen für ihn eine entscheidende Rolle. Schnee ist für ihn nicht einfach weiss, sondern er verändert seine Farbe je nach Sonneneinstrahlung von zarten Blau- bis hellen Gelbtönen.
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Fotogalerie Giovanni Giacometti Werke chronologisch geordnet
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