Ausstellung «Kandinsky, Picasso, Miró et al.
– zurück in Luzern».
Kunstmuseum Luzern.
5.7. bis 2.11.2025.
Ausstellungsplakat
Luzern vor neunzig Jahren, 1935. Es brodelt. In diesem Jahr findet hier ein Zionistenkongress statt, an dem die Judenverfolgung in Europa das grosse Thema ist. Und der Aufbau Palästinas. Gestört wird die Veranstaltung durch deutsche Nazis mit ihren Hakenkreuzen.
Auch an der Kunstfront brodelt es 1935. Das Kunsthaus Luzern organisiert die Ausstellung «These, Antithese, Synthese» und schockiert das Kunstpublikum mit modernen abstrakten Werken. «Ist das wirklich noch Kunst?» fragen sich viele der überforderten Besucher.
Es gibt aber auch andere Stimmen. So der Kunstjournalist Fritz Flüeler, der am 24. Februar 1935
im Luzerner «Vaterland» schreibt:
«Niemand weiss genau, was Kunst ist. Wüsste man das, so gäbe es bereits keine Kunst mehr. Dann könnte man nämlich die Kunst nach starren Regeln einrichten. Man bekäme dann tote Konstruktionen zu sehen. Die Kunst verdankt aber ihr Bestehen der Verwandlung. Die Kunst muss sich bewegen, sich stetsfort neue Formen suchen...».
Neunzig Jahre später, 2025, steht kaum noch jemand kopfschüttelnd vor Werken eines Kandinsky, Picasso oder Miró. Im Gegenteil, mit diesen Namen lockt man das grosse Publikum an.
Das Kunstmuseum Luzern kam nun auf die brillante
Idee, die Ausstellung von 1935 neu aufzugleisen. Fünf Jahre lang recherchierte man, welche Werke damals zu sehen waren, wem sie heute gehören und wo sie sich befinden. Von den damals 99 Werken aus der Hand von 23 Künstlern und einer Künstlerin konnte man 69 eindeutig identifiziern, vier gelten als verschollen.
Joan Miró (1893-1983). Peinture,
1933. Kunstmuseum Bern.
Wolfgang Paalen (1905-1959).
Animaux carnassiers, 1933.
OL-art Collection.
Fernand Léger (1881-1955).
Composition, 1935. Fundació
Joan Miró, Barcelona.
Die Luzerner Ausstellung 2025 zeigt nun über
vierzig der im Jahr 1935 ausgestellten Werke und weitere 47 alternative Arbeiten aus der entsprechenden Epoche.
Wer die Werke nur betrachten will, ist gut dran. Wer sie auch fotografisch festhalten möchte, dürfte frustriert nach Hause gehen: Gefühlt die Hälfte ist mit einem Symbol für «Fotoverbot» versehen. Warum das so ist, kann (oder will) im Kunstmuseum niemand erklären. Besonders irritierend: Da gibt es z.B. Gemälde, die vom Kunsthaus Zürich ausgeliehen werden. Dort sind sie fotografierbar – und in dieser Ausstellung in Luzern plötzlich nicht mehr.
Titelbild (Ausschnitt)
Joan Miró (1893-1983). Peinture,
1933. Kunstmuseum Bern.
Der «Meili-Bau», das Luzerner Kunstmuseum von 1933-1996.
Blick in die Ausstellung 1935.
Von links:
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Die Ausstellung von 1935
Sie fand im so genannten «Meili-Bau» statt. So hiess das Luzerner Kunst- und Kongresshaus damals im Volksmund. Erbaut wurde es vom Architekten Armin Meili und lag direkt am See in der Nähe des Bahnhofs – wie heute. Der «Meili-Bau» war eben erst, 1933, eröffnet worden. Armin Meili wurde später vor allem als Direktor der «Landi» von 1939 berühmt.
«These, Antithese, Synthese...»
In Sachen Marketing scheinen die drei Kuratoren von 1935 keine Genies gewesen zu sein – sonst hätten sie der Ausstellung wohl einen zugkräftigeren Titel verpasst. Immerhin wären klingende Namen wie Picasso oder Miró zur Verfügung gestanden...
Wer waren die drei Kuratoren? Zum OK-Team gehörten der Museumskonservator Paul Hilber,
Das Ziel der Ausstellung von 1935 war ziemlich hoch gesteckt: Man wollte die verschiedenen Strömungen der Avantgarde zusammenzuführen und dem Publikum die neue abstrakte Kunst präsentieren – und gleichzeitig die Bestrebungen der Nachrkiegszeit zur Schaffung eines «neuen und besseren Menschen» beflügeln. Dazu hätte auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört – aber von einer solchen war in der Ausstellung von 1935 noch nicht viel zu erkennen... im Gegenteil.
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Sophie Taeuber-Arp (1889-1943). Komposition mit fünf Kreisen, Quadrat und Rechteck, 1931. Chantal und Jakob Bill, Adligenswil.
Barbara Hepworth (1903-1975). Figure in Sycamore (Ahorn), 1931. The Pier Arts Centre.Barbara Hepworth (1903-1975). Two Heads, 1932. The Pier Arts Centre.
Barbara Hepworth (1903-1975). Large and Small Form, 1934. The Pier Arts Centre.
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1935: Kunst ja – aber bitte ohne Frauen
Zum «Versprechen» des neuen 20. Jahrhunderts gehörte nicht nur die Schaffung eines neues Menschenbildes, sondern auch die kommende Gleichberechtigung von Mann und Frau. Davon war die Ausstellung von 1935 noch weit entfernt. Zwar stellte man die Kunst besonders fortschrittlich und avantgardistisch dar – aber bitte ohne Frauen. Mit einer Ausnahme: >Sophie Taeuber-Arp.
Sophie Taeuber-Arp schaffte es allerdings nur in die Ausstellung, weil sich ihr Ehemann >Jean Arp vehement für sie einsetzte.
Abgewiesen wurde dagegen Barbara Hepworth, obwohl sich Ben Nicholson (ihr späterer Ehemann) für sie stark machte. Trotz all seiner Bitten gelang es ihm nicht, die Ausstellungsmacher zu überreden, Hepworth-Werke zu zeigen.
2025 hat sich der Wind gedreht – heute florieren Ausstellungen von Künstlerinnen. Und diesmal sind in Luzern mehrere Hepworth-Werke zu sehen.
Wer ist Barbara Hepworth?
Sie ist schon in den 1930er-Jahren bekannt für ihre abstrakten Skulpturen mit den sanften Kurven, hat ihren Durchbruch aber erst in den USA, als sie 1936 eine Ausstellung in New York im Museum of Modern Art (MoMA) bekommt.
Zu Beginn ihrer Karriere schafft sie noch figürliche Werke. Schon bald aber wendet sie sich der Abstraktion zu und prägt diese massgeblich. Sie betrachtet Skulpturen als Objekte, die man umkreisen und aus verschiedenen Perspektiven erfassen müsse.
Hepworth studiert u.a. zusammen mit >Henry Moore und ist Mitglied der modernistischen Künstlergruppe «Seven and Five». Sie verbringt einen Grossteil ihres Lebens im englischen Cornwall, wo sie in St. Ives wohnt.
Heute gilt sie als eine Schlüsselfigur der europäischen Avantgarde. Ihren Ritterschlag bekommt sie 1965, als sie «Dame of the British Empire» wird.
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Pablo Picasso (1881-1973). Head, Study for a Monument, 1929. The Baltimore Museum of Art. |
Die Wandlung der Skulptur nach 1900
Seit der Antike basiert die Skulptur auf Körpern – modelliert, geschnitzt oder gegossen. Doch im
Picassos Skulptur «Head: Study for a Monument» ist gar keine – sondern ein Ölgemälde auf Leinwand.
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Hans Erni (1909-2015). Pierre de terre d'Afrique, Composition 2, 1934. Nachlass Hans Erni Luzern. |
Hans Erni als Mit-Kurator 1935
Der damals erst 26-jährige einheimische Künstler >Hans Erni spielte bei der Organisation der Ausstellung eine wichtige Rolle – er sorgte für die Kontakte zu den französischen Avantgardisten.
Für die Ausstellung steuerte er auch eigene Werke bei, die er zwar nicht extra für diesen Anlass fertigte, die aber kurz zuvor in seinem Atelier entstanden waren.
Zu jener Zeit hatte er als Künstler bereits seinen eigenen Stil entwickelt, der eine Synthese von Figuration und Abstraktion verkörperte.
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Jean Hélion |
Jean Hélion
Jean Hélion (1904–1987) stammt aus der Normandie. Er studierte zunächst Pharmazie und Chemie und arbeitete dann als Architekturzeichner in Paris. Zur Malerei stiess er ab 1927. Dort liess er sich von Mondrian/Doesburg/Léger beeinflussen, wandte sich dann aber der abstrakten Avantgarde zu. Er war Mitbegründer der Zeitschrift «Art concret» und später Mitglied der Künstlergruppe «Abstraction-Création».
Während des Zweiten Weltkriegs ging er freiwillig zum Militär, geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft und konnte 1942 mit Hilfe von Freunden fliehen. Nach dem Krieg wandte er sich der figürlichen Malerei zu. Jean Hélion starb am 27. Oktober 1987 in Paris. Seine Werke befinden sich heute in wichtigen internationalen Museen, darunter das MoMA (New York), das Centre Georges Pompidou (Paris) und die Tate Gallery (London).
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Wolfgang Paalen (1905-1959). Avertissment (Peinture), 1934. OL-art Collection. |
Wolfgang Paalen
Wolfgang Paalen (1905–1959) war ein österreichisch-mexikanischer Maler, Bildhauer und Kunstphilosoph. Er gehörte in den 1930er Jahren zur Pariser Avantgarde, war Mitglied der Gruppe «Abstraction-Création» und schloss sich 1935 den Surrealisten um André Breton an. Paalen ist bekannt für seine innovativen Maltechniken, besonders die mit Kerzenrauch (Fumage).
Während seines Exils in Mexiko gründete er das Kunstmagazin DYN, in dem er seine kritische Haltung zum Surrealismus darlegte. Er wirkte bis in die 1950er Jahre im surrealistischen Kreis, litt jedoch an psychischen Problemen und beging 1959 in Mexiko Selbstmord.
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Wassily Kandinsky (1866-1944). Weisser Punkt (Komposition 248), 1923. Hamburger Kunsthalle.
Giorgio de Chirico (1888-1978). Gladiatori, 1928. Nahmad Collection. |
Kandinsky und die entartete Kunst
Während der Luzerner Ausstellung von 1935 sind in Nazi-Deutschland schon viele avantgardistische Werke als «entartert» gebrandmarkt und diffamiert. Die Nazis haben das Ziel, die moderne Kunst ausmerzen. «Entartete» Werke werden aus den Museen entfernt, verkauft oder zerstört.
Ab 1937 organisieren die Nazis mehrere Ausstellungen unter dem Titel «Entartete Kunst», um diese Werke öffentlich zu diffamieren. Die erste findet in München statt.
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Fotogalerie Ausstellung Luzern 2025 |
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