Ausstellung «Post-Impressionism beyond Appearances»
Louvre Abu Dhabi, 16.10.2024 bis 9.2.2025
Die Ausstellung nennt sich etwas kryptisch «Post-Impressionism beyond Appearances». Die wörtliche Übersetzung «Jenseits der Erscheinungen» trägt nicht wirklich zur Erhellung bei. Erst der Besuch bringt einen auf die Sprünge: Man meint das mit der Betitelung nicht so ernst. «Post-Impressionismus» soll eher als Leitmotiv verstanden werden. Das Gezeigte hält sich dann nicht an diese Beschränkung und geht weit darüber hinaus.
Ausstellungsplakat
Die Ausstellung präsentiert rund hundert Weltklasse-Kunstwerke aus dem Fundus des Musée d'Orsay und anderer französischen Museen, aber auch Gemälde, die dem Louvre Abu Dhabi gehören. Die Auswahl ist erstklassig und enthält Ikonen, die man schon immer gerne mal im Original gesehen hätte. Wie das berühmte Zimmer von Vincent van Gogh in Arles oder Bilder aus der Südsee von Paul Gauguin. Oder Werke von Henri de Toulouse-Lautrec und Emile Bernard. Oder Meisterwerke der Pointillisten Paul Signac und Henri-Edmond Cross. Eine unfassbar reiche Ausstellung.
Vincent van Gogh (1853-1890).
La Méridienne ou La Sieste, 1889-90.
Musée d'Orsay Paris.
Paul Gauguin (1848-1903). Arearea, 1892.
Musée d'Orsay Paris.
Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901).
Clowness Cha-U-Kao, 1895.
Musée d'Orsay Paris.
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Titelbild (Ausschnitt)
Paul Gauguin (1848-1903). Arearea, 1892.
Musée d'Orsay Paris.
Vincent van Gogh (1853-1890). La chambre de van Gogh à Arles, 1889. Musée d'Orsay Paris.
Paul Cézanne (1839-1906). Baigneurs, 1890. Musée d'Orsay Paris.
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Was ist Post-Impressionismus?
Beim >Impressionismus ist die Sache ja noch einfach, denn hier gibt es klare Charakteristika: der schnelle Pinselstrich und das Malen im Freien. Aber danach kommen >Neo-Impressionismus und
Der Post-Impressionismus ist eine Bewegung, die sich von 1890 bis 1905 in Frankreich entwickelte. Die Natur wird nun nicht mehr naturalistisch dargestellt, es dürfen auch unnatürliche und/oder intensive Farben verwendet werden. Und die Bilder müssen nicht mehr im Freien erstellt werden, sie können auch im Atelier gemalt sein. Zudem fliesst Emotionales und Symbolisches mit ein. Oftmals werden auch vereinfachte Formen oder stilisierte Elemente angewendet.
Der Post-Impressionismus schlägt so eine Brücke zu nachfolgenden Bewegungen wie >Kubismus, >Fauvismus und >Expressionismus, indem er die Grenzen der visuellen Darstellung erweitert und den Weg für innovative künstlerische Ausdrucksformen ebnet.
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Henri-Edmond Cross (1856-1910). L'air du soir, 1893. Musée d'Orsay Paris.Paul Signac |
Auch Neo-Impressionistisches...
Die Ausstellung im Louvre Abu Dhabi zieht einen grösseren Bogen und präsentiert auch wahre Ikonen von Neo-Impressionisten wie Henri-Edmond Cross, Georges Seurat und Paul Signac. Diese Künstler distanzierten sich in der Zeit nach 1880 gänzlich vom schnellen Pinselstrich der Impressionisten und machten das genaue Gegenteil: Sie setzten in mühevoller Arbeit Punkt neben Punkt, um damit ein Bild zu erschaffen. Klar, dass das nur noch im Atelier möglich war.
Diese Divisonisten/Pointillisten komponierten ihre Werke mal in ganz feinen Punkten, mal in gröberen – jeder nach seinem eigenen Geschmack.
Seurat gilt als der Begründer des >Divisionismus. Der Begriff Pointillismus kommt erst später auf. Es ist >Paul Signac (1863-1935), der nach Seurats Tod 1891 die «Kunst mit den Punkten» fördert und bekannt macht.
Der Kunstkritiker Félix Fénéons schafft dann den Begriff Neo-Impressionismus, dem er den Pointillismus unterordnet. Der Begriff ist wenig glücklich gewählt, denn er hat mit Impressionismus nichts mehr gemein.
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Gustave Moreau (1826-1898). Hésiode et la Muse, 1891. Musée d'Orsay Paris.
Pablo Picasso (1881-1973). Portrait de femme assise (Olga), 1923. Louvre Abu Dhabi. |
...und Symbolistisches/Neoklassisches
Die Ausstellung geht aber noch einen Schritt weiter – über den Post-Impressionismus hinaus. Für Besucher, die nicht auf (Kunst)Bildung aus sind, ist das ein Glücksfall. Sie kommen so in den Genuss von Gemälden, die man «schon immer mal gerne im Original» gesehen hätte – egal welcher Epoche sie angehören.
Wie zum Beispiel Hésiode et la Muse vom berühmten Symbolisten >Gustave Moreau – ein echtes Spitzenwerk. Zeitlich fällt es tatsächlich in die Epoche des Post-Impressionismus, aber es ist ein charakteristisches Beispiel der symbolistischen Malerei.
Auch das eindrucksvolle Werk von Pablo Picasso ist nicht dem Post-Impressionismus zuzurechnen. Vielleicht wurde es in der Ausstellung gezeigt, weil der Louvre Abu Dhabi stolz darauf ist, es zu besitzen. Es handelt sich um ein neoklassizistisches Werk des grossen Meisters, gemalt 1923. In der Tat ist das auf den ersten Blick «gar kein Picasso» – von ihm kennt man ja mehr seine verzerrten Arbeiten.
Das Bild zeigt seine Gattin Olga Khokhlova, die er 1918 heiratete. Hier stellt er sie wie eine griechische Statue dar – neoklassizistisch. In einer späteren Phase, als das Eheglück nicht mehr so toll war, malt er seine Olga nur noch verzerrt und hässlich.
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Edouard Manet (1832-1883). Le Bohémien, 1861-62. Louvre Abu Dhabi. |
Edouard Manet (1832-1883)
Auch dieses Gemälde hat mit Post-Impressionismus nichts zu tun. Aber es ist verständlich, dass der Louvre Abu Dhabi darauf versessen war, einen Manet zu zeigen. Le Bohémien wurde schon erworben, als das Museum noch nicht stand, nämlich 2009. Wer der Verkäufer war, ist unbekannt, der Preis ebenso.
Der Louvre besitzt noch einen weiteren Manet: «Un cabas et des oignons» von 1861-1862. Die beiden Werke sind Teile eines grösseren Gemäldes mit dem Titel «Les gitanes». Manet zerschnitt es später und arrangierte die beiden Werke neu. Dieses Vorgehen war charakteristisch für Manets künstlerischen Prozess, er tat dies mit mehreren Werken.
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Marc Chagall (1887-1985).
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Marc Chagall (1887-1985)
Ankauf 2020. Spiegelt das Gemälde vielleicht die innere Zerrissenheit Chagalls? Oder die Unsicherheit dieser Epoche? Die Jahre seiner Entstehung waren geprägt von der Judenverfolgung und dem Zweiten Weltkrieg. Chagall selbst musste 1941 vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen.
Der Titel «Entre chien et loup» bezieht sich auf die französische Redewendung für die Dämmerung, jene Zwischenzeit, in der das Licht schwindet und die Dunkelheit hereinbricht. Dies kann als Metapher für die turbulente Zeit verstanden werden, in der das Werk entstand.
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René Magritte (1898-1967). La lectrice soumise, 1928. Louvre Abu Dhabi.
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René Magritte (1898-1967)
«La lectrice soumise» (Die fügsame Leserin) kam 2011 in die Sammlung des Louvre Abu Dhabi.
2013 wurde das Werk im Rahmen einer Ausstellung im Pariser Louvre gezeigt, in der Exponate präsentiert wurden, die für die Sammlung des Louvre Abu Dhabi angekauft worden waren. Wer der Vorbesitzer dieses Werks war, ist nicht bekannt.
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Ausstellung Louvre Abu Dhabi 2024/25 «Post-Impressionism beyond Appearances»
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