Ker-Xavier Roussel (1867-1944)


Roussel ist bekannt für seine monumentalen Wandgemälde, die zahlreiche öffentliche Räume schmücken. So hinterliess er 1912 seine Spuren im berühmten Théâtre des Champs-Élysées in Paris.

So weit muss man aber nicht reisen. Eine schöne Roussel-Wandmalerei gibt es auch im Kunst Museum Winterthur zu entdecken.

 

 

Ker-Xavier Roussel um 1899.
Foto Louis-Alfred Natanson.

 

 

Eigentlich heisst er François Xavier Roussel und wird 1867 in der Nähe von Metz geboren. Als Teenager lernt er im Lycée Condorcet in Paris seinen (künftigen) Malerkollegen >Edouard Vuillard kennen, mit dem zusammen er später im Atelier des Malers Diogène Maillart Zugang zur Malerei findet.

 

1888 besucht er die >Académie Julian in Paris. Dort trifft er auf Maurice Denis und >Pierre Bonnard. Er schliesst sich der Künstlergruppe >Nabis an.

 

Warum nennt er sich Ker statt François? Das ist unklar. Eine mögliche Erklärung: Ker könnte eine Ableitung von «Kern» sein, ein bretonisches Wort für «Haus» oder «Ort».

 

1899 reisen Roussel, Vuillard und Bonnard nach Mailand und Venedig. Noch im selben Jahr lässt sich Roussel in L'Étang-la-Ville westlich von Paris nieder. Hier findet er seine ländlichen Motive für die Landschaften, in die er seine lustvollen Szenen der griechischen Mythologie verpackt und mit Nymphen, Zentauren und Faunen bereichert.

 

Als Modelle dienen ihm seine Frau Marie (eine Schwester von Edouard Vuillard), seine Tochter Annette, sein Sohn Jacques und seine Enkelkinder.

 

Roussel gehört zwar den Nabis an, hat aber weder Lust auf Abstraktionen noch auf kleinformatige Bilder – er will Grosses schaffen und in seinen Gemälden Feste feiern, Überfluss, Trunkenheit, Lust und Tanz.

 

 

Ker-Xavier Roussel (1867-1944). Nicht

realisierte Studie für das Treppenhaus
des Kunst Museums Winterthur.

 

 

Eine Reihe von Werken zeigt auch mythologische und alttestamentliche Episoden von voyeuristischem Charakter.

 

Der Künstler hat aber auch eine melancholische Seite. Zwischen 1914 und 1917 – also während des Ersten Weltkriegs – wird er mit Depressionen in eine Klinik eingeliefert. In seinen letzten Jahren, zwischen 1930 und 1944, schafft er auch mythologische Werke, die vom gewaltsamen Tod handeln.

 

Ker-Xavier Roussel stirbt am 6. Juni 1944 in seinem Heim in L'Étang-la-Ville. Es ist ein historisches Datum: An diesem Tag beginnt in der Normandie die «Operation Overlord», die Invasion der alliierten Truppen gegen Hitlers Nazi-Deutschland.

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Titelbild (Ausschnitt):

Ker-Xavier Roussel (1867-1944).

Printemps, 1916-26. Treppenaufgang
zum Kunst Museum Winterthur.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ker-Xavier Roussel (1867-1944). Automne
et Printemps, 1916-26. Treppen-aufgang zum
Kunst Museum Winterthur.

 

 

Printemps.

 

 

Automne.

 

 

Willkommen im Kunst Museum Winterthur

 

Die Besucher des Kunst Museums Winterthur werden von prächtigen Wandmalerein des französischen Malers begrüsst: sie schmücken den Treppenaufgang zum Museum.

 

Man schreibt März 1916, als die beiden Kunstsammler Hans und Werner Reinhart Ker-Xavier Roussel beauftragen, Wandbilder für das Treppenhaus im neuen Kunstmuseum zu erstellen. Hans und Werner sind Söhne des Winterthurer Industriellen Werner Reinhart und Brüder von >Oskar Reinhart (1885-1965), dem Namensgeber des >Museums Reinhart.

 

Klingt einfach, aber es wird eine langwierige Entstehungsgeschichte. Zwar liefert der Künstler sogleich Entwürfe, die auch gutgeheissen werden. Der Künstler selbst ist aber nie zufrieden mit seinen Vorschlägen und lässt immer wieder neue Entwürfe folgen. Und auch die werden ständig überarbeitet, bis man eine längere Denkpause einschaltet. So dauert es schliesslich zehn Jahre, bis Roussel 1926 seine Wandgemälde beendet.

 

Als das Museum 2016 sein 100jähriges Bestehen feiert, wird Ker-Xavier Roussel mit einer Ausstellung geehrt. Nun können dem Publikum einige der ehemaligen Entwürfe für die Treppenhaus-Malerei präsentiert werden.

 

Roussel gehörte zwar wie >Bonnard und >Vuillard der Künstlergruppe der Nabis an, er fand aber keinen Gefallen an der Abstraktion und suchte sich seine Motive weiterhin in der klassischen Welt der französischen Malerei.

 

 

>mehr über das Kunst Museum Winterthur

 

 

 

Ker-Xavier Roussel (1867-1944). Les Saisons de la vie, 1892-95. Musée d'Orsay Paris.

 

 

Mitglied der Künstlergruppe «Nabis»

 

In der Pariser >Académie Julian lernt der
22-jährige Roussel 1889 die fast gleichaltrigen (künftigen) Maler Edouard >Vuillard, Maurice Denis, Félix >Vallotton und den Bildhauer Aristide >Maillol kennen. Die jungen Kunststudenten möchten sich von «Althergebrachtem» lösen, vor allem vom Impressionismus.

 

Also gründen sie – zusammen mit Paul Sérusier, der zum ersten Präsidenten der Gruppe ernannt wird – 1888 die Künstlergruppe der Nabis. Sérusier ist ein Schüler von Paul >Gauguin.

 

Eines zeichnet die Nabis besonders aus: Niemand muss einen von der Gruppe vorbestimmten Malstil pflegen. Jeder darf malen, wie es ihm gefällt. Roussel bleibt seinem klassischen Stil treu.

 

 

>mehr über die Nabis

 

 

 

Ker-Xavier Roussel (1867-1944). L'Après-midi d'un faune, 1930.

 

Ker-Xavier Roussel (1867-1944). The Sleeping Diana, 1924. High Museum of Art, Atlanta.

 

 

 

Die Lust am Voyeurismus

 

Eines von Roussels Markenzeichen ist die Verschmelzung von Landschaft und mytholgischen Figuren. In seinem Werk «L'après-midi d'un faune» kommt seine Freude an der Darstellung von voyeuristischen Szenen zum Ausdruck.

 

Hier schleicht sich der Faun an Nymphen heran, die nackt in einem Fluss baden. Das Bild illustriert ein Gedicht aus dem Jahr 1876 des französischen Schriftstellers Stéphane Mallarmé . Auch Mallarmé muss von diesem Thema des Voyeurismus fasziniert gewesen sein. Sein Gedicht erzählt vom Faun, der aus einem Nachmittagsschläfchen erwacht und nicht weiss, ob er die beiden Nymphen «erlebt» oder nur von ihnen geträumt hat.

 

Roussel liebt mythologische Themen, die er bis ans Ende seiner Karriere immer wieder malt. Dazu gehören auch Darstellungen der Göttin Diana, die er gerne nackt und schlafend darstellt.

 

 

Ker-Xavier Roussel (1867-1944). Femme dans un paysage d'Île-de-France, 1932-35. Musée Maurice Denis, Saint-Germaine-en-Laye 154x370cm.

 

Ker-Xavier Roussel (1867-1944). Rural Festival, Summer, 1911-13. Puschkin Museum Moskau.

 

 

Die Nackte in der Landschaft

 

Dieses monumentale Werk von 154 x 370 cm malt Roussel im Auftrag von Emile Weil, einem Sammler moderner Kunst, der auch Arzt von >Édouard Vuillardist (Roussel ist Vuillards Schwager, er ist mit Maria, der Schwester Vuillards verheiratet).

 

Die lebensfrohe Szene soll in L'Étang-la-Ville handeln, genauer im Obstgarten neben dem Haus des Künstlers.


Es ist eine Hymne an die Lebensfreude, wie er sie immer wieder malt. Genau wie das Gemälde «Rural Festival, Summer» von 1911-13, das heute im Puschkin Museum in Moskau hängt.

 

Eigentlich stellt es ein bäuerliches Fest dar, aber es ist weit mehr als das. Es erinnert eher an ein ungezügeltes, ausschweifendes Fest, an eine «Bacchanale» mit mytholgischen Figuren, mit einer über allem thronenden Göttin, mit nackten Tänzern und sogar mit schwebenden Engeln. Es ist die pure Freude am Festefeiern, an Überfluss, Trunkenheit, Lust und Tanz.

 

 

 

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