Sein Malstil ist unverkennbar: verschwommen, wolkig, unscharf, die abgebildeten Figuren sind nur schwer zu erkennen – ganz im Sinne der Künstlergruppe >Nabis, der er sich als junger Mann anschliesst.
Edouard Vuillard um 1889.
National Gallery of Art Washington.
Édouard Vuillard kommt 1868 in Cuiseaux (Saône-et-Loire) zur Welt und wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater ist ein Veteran der französischen Marine und arbeitet danach als Steuereintreiber, die Mutter als Schneiderin. Dank ihr kommt Edouard schon früh in Berührung mit unterschiedlichsten Stoffen. Später interessiert er sich für die Pariser Haute Couture und entwickelt ein besonderes Gespür für Texturen in häuslichen Interieurs.
Vuillard wächst unter dem Einfluss von lauter Frauen auf: Mutter, Grossmutter und die ältere Schwester (die später seinen besten Freund, den Maler >Ker-Xavier Roussel, heiraten wird).
In Paris besucht er das Lycée Condorcet und trifft dort auf die (künftigen) Malerkollegen Paul Sérusier, Maurice Denis und Ker-Xavier Roussel.
Eigentlich wäre für Edouard Vuillard eine militärische Laufbahn vorgesehen (wie sein Vater und sein Bruder Alexandre), doch 1885 –
mit 17– verlässt er das Lycée und lässt sich zusammen mit seinem Freund
>Ker-Xavier Roussel im Atelier des Malers Diogène Maillart eine erste künstlerische Ausbildung verpassen.
1886 tritt er dann in die >Académie Julian ein, ein Jahr später wird er an der >Ecole des Beaux-Arts in Paris aufgenommen. Schon während des Studiums interessiert er sich auffallend für häusliche Innenräume.
1889 überzeugt ihn Paul Sérusier, Mitglied in der jungen Künstlergruppe der >Nabis zu werden.
Vuillard ist auch von japanischen Holzschnitten begeistert, die im Paris jener Zeit gerade in Mode sind. Er selbst erwirbt eine Sammlung von 180 Drucken. Der japanische Einfluss zeigt sich in seinem malerischen Werk insbesondere im Verzicht auf Tiefe, in der Einfachheit der Formen und in stark kontrastierenden Farben.
Edouard Vuillard bleibt zeitlebens unverheiratet, er führt aber mehrere Beziehungen. Eine der für ihn wichtigsten ist jene zu Lucy Hessel, der Gattin seines Pariser Kunsthändlers Joseph Hessel, bei dem Vuillard exklusiv unter Vertrag steht. Lucy wird zu Vuillards Modell, Muse und Geliebte, was aber die Freundschaft zu Jo Hessel offensichtlich nicht beeinträchtigt.
Die Beziehung zu Lucy Hessel besteht bis zu Vuillards Tod am 21. Juni 1940; Lucy selbst stirbt ein Jahr später.
2018 lassen Hessels Erben die bedeutende Sammlung an Werken von Edouard Vuillard, Pierre Bonnard, Maurice Denis und Aristide Maillol durch das Auktionshaus Christie’s versteigern. Einige von Vuillards Werken werden heute für Millionenbeträge gehandelt. Beispiel:
Edouard Vuillard (1868-1940)
La Table de Toilette, 1895.
Ersteigert im Auktionshaus Christie's
am 13.5.2019 für 7.99 Mio US Dollar.
Foto©Christies's.
Titelbild (Ausschnitt)
Edouard Vuillard (1868-1940).
Grandmère et enfant au lit bleu, 1899.
Kunst Museum Winterthur.
Edouard Vuillard (1868-1940). La famille Alexandre Natanson, 1897-98. Kunstmuseum Bern. Hahnloser-Jaeggli-Stiftung...
Edouard Vuillard (1868-1940). Grandmère et enfant au lit bleu, 1899. Kunst Museum Winterthur.
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Vuillard und die Nabis. Wer sind die Nabis?
Eine 1888 gegründete «Rebellengruppe» von jungen Studenten der Pariser >Académie Julian. Edouard Vuillard stösst 1889 zu ihnen. Die Künstlergruppe strebt im Wesentlichen die Loslösung vom Impressionismus an.
Sie will «nicht mehr die Welt abbilden, sondern mit starken Farbflächen autonome Bilder erschaffen. Zudem soll ihre Kunst auch Deko und Design umfassen.
Es sind alles junge Burschen, insgesamt etwa ein Dutzend Maler und Bildhauer, darunter (heute) klingende Namen wie Pierre >Bonnard, Aristide >Maillol, Félix >Vallotton oder Maurice Denis.
Erster Präsident der Gruppe ist ein Schüler von Paul Gauguin: Der Pariser Maler Paul Sérusier (1864-1927) – bei der Gründung knapp 24-jährig. Vuillard, Bonnard und Vallotton sind noch jünger.
Die Nabis sind nur wenige Jahre lang aktiv: Etwa von
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Edouard Vuillard (1868-1940). Interieur (Mme Vuillard und Grossmutter Roussel in l'Etang-la-Ville), 1902. Dallas Museum of Art.
Edouard Vuillard (1868-1940). Le Grand Intérieur aux six personnages, 1897. Kunsthaus Zürich.
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Interieurs und häusliche Szenen
Für häusliche Einrichtungen entwickelt Vuillard schon als Kind ein besonderes Interesse, weil er durch seine Mutter, eine Schneiderin, ständig von verschiedensten Stoffen, Materialien und Texturen umgeben ist.
In seinem malerischen Schaffen bilden dann Interieurs ein immer wiederkehrendes Motiv. In seinen mehrheitlich kleinformatigen Arbeiten zeigt Vuillard oft stark verdichtete Räume, meist in dunklen Farben gehalten, in denen die verschwommen und unscharf abgebildeten Personen mit dem Raum zu verschmelzen scheinen.
Währenddem Details der Inneneinrichtung relativ gut erkennbar sind (Tapeten, Bilder, Möbel), verzichtet er fast ganz auf die Abbildung von Gesichtern. Diese kommen abgewandt und/oder verschwommen und meist düster daher. Dazu sagt der Künstler:
«Ich male keine Portraits, ich male Personen in ihrer Umgebung». Vuillard findet offenbar Gefallen daran, die Figuren zu verschleiern, zu verwischen und geheimnisvoll erscheinen zu lassen.
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Edouard Vuillard (1868-1940). Femme se déshabillant, 1900-01. Kunst Museum Winterthur Reinhart.
Edouard Vuillard (1868-1940). Nu dans le salon rayé, 1905. Kunstmuseum Bern. Hahnloser-Jaeggli-Stiftung. |
Intime Orte – ein Hauch von Voyeurismus
Für die Nabis sind das private Umfeld und das Leben im Alltag eine wichtige Inspirationsquelle – auch für Edouard Vuillard und >Pierre Bonnard.
Wie Bonnard bildet auch Vuillard seine Figuren in einem ungestörten Moment im Ankleidezimmer, im Bad oder im Schlafzimmer ab. Allerdings sind sie bei Vuillard so verschwommen, dass seine Werke eher wie vorbereitende Skizzen wirken.
Solche häuslichen Privatszenen werden oftmals unter dem Begriff «Intimismus» zusammen gefasst. Der Begriff stammt vom französischen Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger André Gide (1869-1951).
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Edouard Vuillard (1868-1940). Jardins Publiques, la Conversation, 1894. Musée d'Orsay Paris.
Jardins publiques, Detail.
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Die öffentlichen Gärten von Paris
Diese Wandgemälde gelangen erst nach dem Tod des Künstlers an die Öffentlichkeit. Vielleicht werden sie gerade deshalb umso berühmter.
Les Jardins Publiques ist eine Serie von sechs Tafeln, die Alexandre und Olga Natanson mit ihren Kindern in den Parks von Paris zeigen.
Alexandre Natanson war der Sohn eines Bankiers und selbst erfolgreicher Anwalt und Herausgeber der Literaturzeitschrift «La Revue Blanche» sowie der satirischen Zeitschrift «Cri de Paris», dazu Kunstsammler und Kunstmäzen.
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Edouard Vuillard (1868-1940). Portrait Lucien Guitry, 1921. |
Dekos und Bühnenbilder fürs Theater
Das Theater ist ein wichtiger Teil in Vuillards Leben. Er beginnt seine künstlerische Laufbahn mit der Erstellung von Bühnenbildern und der Gestaltung von Programmheften.
1912 erhält er einen Auftrag für sieben Tafeln und drei Gemälde über den Türen des neuen Théâtre des Champs-Élysées.
Einer seiner Freunde ist der berühmte Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Sacha Guitry (1885-1957). Für ihn malt er 1921 ein Porträt dessen Vaters Lucien Guitry (1860-1925).
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Edouard Vuillard (1868-1940). |
Vuillard als «Graveur»
Vuillard beginnt 1893 mit der Schwarz-Llithographie und fertigt eine Reihe von Illustrationen für Bücher und Theaterprogramme.
Die Revolution in der >Technik der Farblithographie erleichtert dann die Produktion grafischer Kunstwerke. 1899 erscheint eine prächtige Serie von Farblithographien mit dem Titel Paysages et Intérieurs. Herausgeber ist der bekannte Pariser Kunsthändler Ambroise Vollard.
Gegen Ende seines Lebens schafft Edouard Vuillard auch mehrere >Radierungen.
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Fotos / Diashow
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