Jeden Dienstag treffen sich über Mittag Kunstfans im Kunsthaus Zürich – und kompetente Expertinnen und Experten erläutern die Finessen einzelner Werke.

>mehr

 

 

Der Kurs findet zweimal jährlich statt. Im Frühjahr von März bis Juni, im Herbst von September bis Dezember. Je zwölf Wochen.

>mehr

 

 

>Kunst über Mittag 2025

 

>Kunst über Mittag 2024

 

>Kunst über Mittag 2023

 

>Kunst über Mittag 2022

 

>Kunst über Mittag 2021

 

>Kunst über Mittag 2020

 

>Kunst über Mittag 2019

 

>Kunst über Mittag 2018

 

>Kunst über Mittag 2017

 

>Kunst über Mittag 2016

 

>Kunst über Mittag 2015

 

 

Suche A-Z
>Seit 2015 besprochene
Künstler und Werke

 

Referenten
>Kurzbiografien

 

Termine
>Terminkalender

 

More about KüM
>Organisation/Anmeldung

 

Kontakt OK-Team K&K

>Daniela Koch

>Fritz Kleisli

 

 

Hinweis

Die Reports auf dieser Seite «Kunst über Mittag» sind keine «offiziellen Bildbesprechungen» der Referent:innen, sondern subjektive persönliche Wiedergaben des Gehörten, Gesehenen und Erlebten durch die Autor:innen von artfritz.ch.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kunst über Mittag 2025 im Kunsthaus Zürich

 

Suche A-Z >Seit 2015 besprochene Künstler/Werke

 

More about KüM >Kontakt/Organisation/Anmeldung

 

Kurstermine >Terminkalender

 

Referenten >Kurzbios der Referent:innen

 

Besprochene Werke 2025

Laurence Neter (1600/04-1652). Interieur mit Lautenspieler, 1631. Kunsthaus Zürich.

 

Porträt?

 

Detail Strümpfe.

 

Detail Karafe.

 

>Details (PDF)

 

22. April 2025, Referentin Andrea Sterczer

Laurence Neter (1600/04-1652). Interieur mit Lautenspieler, 1631.

 

Die Referentin weist darauf hin, dass der Autor des besprochenen Werkes in der Kunsthistorie keine grosse Bedeutung hat. Das zeigt auch die Tatsache, dass über den Künstler nur ganz wenig bekannt ist.

 

Möglicherweise war Laurence (oder Laurentius) Neter in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der niederländischen Stadt Middelburg, Provinz Zeeland, als Landschaftsmaler tätig (Quelle: Alte Pinakothek München). Neter könnte aber auch ein Maler deutschen Ursprungs sein, der zwischen 1600 und 1604 in Danzig (damals Ostpreussen) geboren wurde und dort 1652 auch gestorben ist.

 

Das Bild zeigt einen vornehm gekleideten Herrn mit Schnauz und Kinnbart. Er trägt einen eleganten Hut und ein reich verziertes Hosenkleid mit einer pompon-ähnlichen Deko, dazu silbern glänzende Strümpfe und modische Schuhe. Sein Oberhemd schimmert wie eine Rüstung silbern und ist am Kragen mit Spitzen verziert, die Ärmel sind mit wertvollen Silber- und Goldgarnen verziert.

 

Zum Raum gehört ein Tisch mit reich besticktem Tischtuch, auf dem der Künstler ein Stillleben arrangiert hat: eine (Wein?)Karafe, ein Kristallglas, ein Tuch, ein aufgeschlagenes Buch. Kunsthandwerklich ist dieses Stillleben kein grosser Wurf, auch mit der Darstellung der Perspektive scheint der Künstler seine liebe Mühe gehabt zu haben, was auch beim Stuhl zum Ausdruck kommt.

 

Dass der Mann allein in einem Raum sitzt, ist ungewöhnlich. Bei vielen ähnlichen Gemälden niederländischer Künstler sind bei Musikdarbietungen normalerweise mehrere Personen in Gruppen versammelt. Bei solchen musikbezogenen Werken stellt sich immer auch die unterschwellige Frage, ob es sich beim Etablissement um ein Bordell handeln könnte.

 

Könnte das beim besprochenen Bild auch der Fall sein? Eher nicht. Dafür ist der Raum mit zu wenig Eleganz ausgestattet. Und wird da überhaupt musiziert? Auf den ersten Blick scheint der Mann zwar Laute zu spielen. Bei genauerer Betrachtung muss man aber feststellen, dass er nur so tut, als würde er spielen. Vielmehr scheint der fein herausgeputzte Musikant vor dem Maler zu posieren, er blickt diesen direkt an.

 

Könnte man daraus schliessen, dass es sich um ein Porträt handelt? Vielleicht. Möglich wäre aber auch, dass der Herr im Begriff ist, einen Besucher oder eine Besucherin zu empfangen, weshalb er sich auch fein gemacht hat. Und vielleicht empfängt er dann seine Angebetete mit zarten Lautenklängen. Alles ist möglich, die Gedanken sind frei.

Angelica Kauffmann (1741-1807). Amor und Psyche, 1792. Kunsthaus Zürich.
 

Detail: Amor trocknet Psyches Tränen mit seinen Locken.

 

Heinrich Füssli (1741-1825). Amor und Psyche, 1810. Kunsthaus Zürich.

 

 

>Details (PDF)

 

15. April 2025, Referentin Gabriele Lutz

Angelica Kauffmann (1741-1807). Amor und Psyche, 1792.

 

Die 1741 in Chur geborene Künstlerin macht eine aussergewöhnliche Karriere und schafft es sogar, im Alter von 27 Jahren Mitglied der Royal Academy in London zu werden – als eine von zwei Frauen unter 32 männlichen Künstlern. Einen grossen Namen macht sie sich vor allem mit hoch geschätzten Porträts von europäischen Aristokraten. Mit diesen verdient sie gutes Geld, aber ihr Ziel ist es, Historienmalerin zu werden. Das schafft sie später in Rom, wo sie in einem grossen Atelier in einem Palazzo arbeitet, das die Fertigung von monumentalen Gemälden erlaubt. Das besprochene Bild «Amor und Psyche» von 1792 bezeichnet die Künstlerin als ihr «liebstes» unter fünfzehn Historienbildern, die sie in ihrer Spätphase geschaffen hat.

 

>mehr über Angelica Kauffmann

 

Das Gemälde war eine Auftragsarbeit für die Gräfin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach – doch diese holte das Bild nie ab. Es ging deshalb später an die Gräfin Louise von Anhalt-Dessau, die im Schloss Luisium in Dessau wohnte. Von ihr malte Kauffmann auch ein Porträt.
1987 kam das Gemälde ins Kunsthaus Zürich, als Geschenk der Jacobs Suchard AG, Zürich.

 

Basis für dieses Gemälde ist das mythologische Märchen «Amor und Psyche» aus den Metamorphosen des Apuleius aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. >mehr über Amor und Psyche

 

Das Bild beschreibt den Moment, als Psyche unerlaubterweise ein Kästchen mit einer Schönheitssalbe öffnet, das für Venus bestimmt gewesen wäre. Psyche fällt deshalb in einen «todesähnlichen Schlaf». Angelica Kauffmann mochte das nicht so dramatisch sehen und malte Psyche bloss weinend, sodass Amor ihr mit seinen Locken die Tränen trocknen und sie trösten kann. Damit entsprach die Künstlerin dem damaligen Zeitgeist, der Empfindsamkeit einem heroischen Klassizismus vorzog.

 

Zum Vergleich das Gemälde von >Heinrich Füssli von 1810: Füssli – der im gleichen Jahr geboren ist wie Kauffmann, 1741 – hielt sich genauer an den originalen Text Apuleius' und malte den todesähnlichen Schlaf der Psyche höchst dramatisch.

Franz Marc (1880-1916). Wald mit Eichhörnchen, 1913. Kunsthaus Zürich.

 

 

Detail Eichhörnchen.

 

 

Detail Wald.

 

 

>Details (PDF)

8. April 2025, Referentin Regula Straumann

Franz Marc (1880-1916). Wald mit Eichhörnchen, 1913.

 

Der für seine expressiven Tierbilder bekannte Künstler kommt 1880 in München zur Welt. Dort besucht er ab 1900 die Kunstakademie. Seine frühen Arbeiten entstehen deshalb in akademisch geprägtem Stil. In Paris kommt er dann mit avangardistischen Werken von Gauguin und van Gogh in Kontakt und beschliesst, den akademisch-konservativen Stil zu verlassen. Er sucht seinen eigenen Stil: expressiv mit starken Farben, nicht mehr der Natur entsprechend, aber trotzdem nicht ganz abstrakt, Figuren sollen weiter erkennbar sein. Bei Franz Marc sind die Figuren meistens Tiere – zu diesen hat er eine besondere Affinität. Berühmt sind seine expressiven Tierbilder mit blauen Pferden und gelben Kühen.

Was stellt das besprochene Gemälde dar? Kunsthistoriker gehen davon aus, dass der Künstler das Waldbild aus der Sicht des Eichhörnchens darstellen wollte. Dieses klettert einen surrealen Baumstamm runter zu einer Art See oder Gewässer; der «See» erscheint wie ein blauer Kobold. Auch der Wald ist kein heimischer, sondern trägt exotische Züge, die Pflanzen erinnern eher an südländische Agaven.

 

Die verwendeten Farben müssen bei Marc nicht der Natur entsprechen, er malt nach seiner eigenen Farbsymbolik. Diese beschreibt er 1910 in einem Brief an seinen Malerfreund >August Macke so:

 

Blau ist das männliche Prinzip – herb, geistig und ruhig. Es symbolisiert das Geistige und Nachdenkliche. Gelb ist das weibliche Prinzip – sanft, heiter und sinnlich. Es steht für Lebensfreude und Energie. Rot steht für Materie – brutal, schwer und aggressiv. Rot wird von Blau und Gelb bekämpft und überwunden, da es die rohe Natur und Gewalt repräsentiert.

 

Und wie sieht er die Tiere und die Natur? In einem Brief von 1915 schreibt er mitten im Kriegsdienst an seine Frau Maria: «Sehr früh fand ich die Menschen hässlich; Tiere schienen mir schöner, reiner. Aber dann entdeckte ich auch an ihnen so viel Hässliches und Gefühlsloses (...) Bäume, Blumen, die Erde zeigten mir mit jedem Jahr mehr hässliche, gefühlswidrige Seiten, bis mir erst jetzt plötzlich die Hässlichkeit der Natur, ihre Unreinheit voll zum Bewusstsein kam.»

 

>mehr über Franz Marc

 

Helen Dahm (1878-1968). Selbstbildnis, 1953. Kunsthaus Zürich.

 

Föhntag in Oetwil
im Frühling, 1930. Privatbesitz.

 

Selbstbildnis ohne Datum. Galerie Adrian Bleisch, Arbon.

 

Selbstbildnis als Malerin, 1927. Kunstmuseum Thurgau.

 

>Details (PDF)

 

1. April 2025, Referentin Maya Karacsony

Helen Dahm (1878-1968). Selbstbildnis, 1953.

 

Die «verkannte Expressionistin der Schweiz» wird sie auch genannt. Das besprochene expressionistische Selbstporträt von 1953 zeigt die Künstlerin im Alter von 75 Jahren. Das 3/4-Porträt beeindruckt durch seine eigenwillige Farbgebung und den pastösen Farbauftrag in der Augenpartie. Von Helen Dahm gibt es überdurchschnittlich viele Selbstbildnisse.

 

Helen Dahm kommt in Engelshofen/Kreuzlingen zur Welt. Ihre Mutter führt in Zürich eine kleine Familienpension und Helen muss hier mitarbeiten – bis sie fast dreissig ist. 1906 hat sie genug davon, denn eigentlich möchte sie Künstlerin werden. Sie verlässt die Familie und zieht nach München, wo sie in den Künstlerkreis des >Blauen Reiters gelangt. Hier befasst sie sich mit dem Holzschnitt und malt erste expressionistische Bilder. Von 1913 bis 1918 lebt sie in Zürich mit der Kunsthistorikerin Else Strantz zusammen, was in Bürgerkreisen für Irritationen sorgt. Dahm kann zwar in dieser Phase künstlerisch tätig sein und malen, aber ihren Lebensunterhalt bestreitet sie mit dem Verkauf von selbstgefertigten Stoffen.

 

1919 ziehen die zwei Frauen in ein Bauernhaus in Oetwil am See. Hier kann sich Dahm nun ganz der Malerei widmen. Allerdings fällt sie in eine Krise, als sie 1932 von ihrer Partnerin verlassen wird. In der bäuerlichen Umgebung malt sie jetzt vorwiegend Landschaften.

 

1938 – da ist sie schon 60 Jahre alt – verkauft sie ihr Haus und zieht nach Indien auf der Suche nach einem spirituell erfüllten Leben. Sie schliesst sich dem >Guru Meher Baba an, erkrankt aber bereits 1939 an Ruhr und kehrt in die Schweiz zurück. Dennoch sagt sie: «Dieses eine Jahr ersetzte mir zwanzig Jahre Oetwil. In Indien bin ich ein anderer Mensch geworden». In Indien hinterlässt sie Wandmalereien für Meher Babas Grabmal, die sich bis heute erhalten haben.

 

Nach ihrer Rückkehr aus Indien bekommt sie moralische und finanzielle Unterstützung durch ihren Freundeskreis – aber noch immer keine echte Anerkennung als Künstlerin – es scheint einfach keinen Markt für ihre Bilder zu geben. Eine Würdigung erfährt sie erst 1953, als sie im Helmhaus Zürich eine umfassende Retrospektive bekommt. Das ist ihr Durchbruch. 1954 verleiht ihr die Stadt sogar den Zürcher Kunstpreis – als erster Frau überhaupt. Sie ist inzwischen 76 Jahre alt.

 

1956 kann sie noch einen Erfolg verbuchen: Sie erhält einen Auftrag für die Aussengestaltung der >Friedhofskapelle Adliswil. 1968 bereitet ihr das Dorf Oetwil ein Fest zu ihrem 90. Geburtstag – kurz danach stirbt Helen Dahm. Ihr letzter Wunsch (als Anweisung an ihren Arzt): «Legen sie meinen Hammer zu meiner Rechten, die Beisszange zu meiner Linken in den Sarg. Denken Sie was sie wollen, aber tun Sie es».

 

>mehr über Helen Dahm (Ausstellung Museum Thurgau 2018/19)

 

Simon Pietersz Verelst (1644-1721). Stillleben
mit Blumen und Früchten. Kunsthaus Zürich.

 

Detail Blatt.

 

Detail Früchte.

 

Schmetterling.

 

>Details (PDF)

25. März 2025, Referentin Andrea Sterczer

Simon Pietersz Verelst (1644-1721).
Stillleben mit Blumen und Früchten.

 

Verelst wurde 1644 in Den Haag in eine Künstlerfamilie geboren – es war die Zeit des >Golden Age in den Niederlanden. Sein Vater hiess Pieter Harmensz Verelst (1618-1678), der für seine Genre-Malerei bekannt war. Er unterrichtete auch seinen Sohn Simon. Dieser machte sich einen Namen als Maler von Blumen-Stillleben; er malte aber auch elegante Porträts von Mitgliedern des englischen Königshofs und von Adligen. 1668 zog er nach London und erhielt dort Aufträge vom Hof. König zu jener Zeit war Charles II. aus dem Hause Stuart. Mit seinen Auftraggebern gab es Probleme. Diese warfen ihm Arroganz vor, weil er sich als «Gott der Blumen» aufspielte. Infolge seiner Anfälle ungezügelter Aggression soll er sogar eingesperrt worden sein. Er soll psychische Probleme gehabt haben – es ist aber unsicher, ob er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Auch unter welchen Umständen er 1721 starb, ist nicht bekannt.

 

Die niederländische Kunst des Blumenstilllebens entwickelte sich in drei Phasen. In der frühen Phase (ca. 1600-1630) waren die Stillleben relativ schlicht, dafür aber sehr naturgetreu. In der Klassischen Phase (ca. 1630-1680) wurden Kompositionen mit überquellenden assymetrischen Arrangements geschaffen. In der Spätphase (ca. 1680-1750) wurden die Darstellungen immer raffinierter und dekorativer, im Stil des Barocks.

 

Typisch für die niederländische Blumenmalerei waren kleine Vasen mit extrem üppigen Blumenarrangements vor meist dunklem Hintergrund – wie das besprochene Bild von Verelst. Speziell bei diesem ist aber, dass es im unteren Sechstel Elemente der Genre-Malerei aufweist: Putten, die Blumen arrangieren. Es besteht die Vermutung, dass sich der Künstler von seinem Vater dazu inspirieren liess – dieser war ja ein Genre-Maler.

 

Das Gemälde – aufgebaut als Dreieck mit einer Blüte an der Spitze – ist keine Momentaufnahme eines Blumenarrangements, sondern eine Komposition, die schrittweise mit frischen Blumen im Atelier erstellt wurde. So, wie sich dieses Bild zeigt, hat es der Künstler also nie gesehen.

 

Typisch für niederländische Blumen-Stills ist auch, dass die >Vanitas mit eingebaut wird. Die Bilder sollen daran erinnern, dass alles Weltliche vergänglich ist angesichts der Unausweichlichkeit des Todes – also auch das Aussehen. Der Künstler stellt diese Vergänglichkeit mit welken Blättern und mit verfaulenden Früchten dar. Das Gemälde soll aber auch das Leben abbilden und die Hoffnung auf ein Weiterleben der Seele nach dem Tod. Diese Hoffnung drückt Verelst mit dem Schmetterling aus, der als Symbol der Seele gilt.

 

Wassily Kandinsky
(1866-1944). Murnau, Kohlgruberstrasse, 1908. Sammlung Merzbacher, Kunsthaus Zürich.
 

Henri Matisse (1869-1954). Intérieur à Collioure (La Sieste), 1905. Sammlung Merzbacher.

 

André Derain (1880-1954). Bâteaux dans le Port de Collioure, 1905. Sammlung Merzbacher.
 

Wassily Kandinsky (1866-1944). Zwei Reiter und liegende Person, 1910. Sammlung Merzbacher.

 

 

>Details (PDF)

18. März 2025, Referent Reto Bonifazi

Wassily Kandinsky (1866-1944). Frühe Landschaften um 1908.

 

Der 1866 in Moskau geborene Künstler zieht 1896 mit seiner Ehefrau Anja Semjakina nach München. 1902 lernt er in einem Malkurs in Kochel >Gabriele Münter kennen. Ab 1904 reisen die beiden gemeinsam durch Europa und Nordafrika. 1908 lassen sie sich im bayrischen Murnau nieder, wo sie ein anderes berühmtes Künstlerpaar kennen lernen: Marianne von >Werefkin und Alexej >Jawlensky.

 

Die Zeit in Murnau ist für Kandinsky eine wichtige Phase. Hier stellt er die Weichen zu seinen später berühmten abstrakten Werken. Um zu diesen zu gelangen, muss er zunächst seine Landschaftsmalerei neu überdenken – sie soll von seinem persönlichen Inneren durchdrungen sein. Die Natur soll nicht mehr nur abgebildet werden, sondern durch neue Farben und Formen so dargestellt werden, dass sie seiner Seele entspricht.

 

In gewisser Weise haben das die Fauvisten schon ein paar Jahre früher getan, ab 1905. Als «Vorbild» sieht Kandinsky >Henri Matisse, über den er sagt: «Nur Matisse hat die Grenze der zufälligen Naturform überschritten».

 

Damit meint Kandinsky: Andere Fauvisten verwenden zwar auch «fremde» (=falsche) Farben, aber nur Matisse verändert auch die Abbildung des Gegenständlichen. Als Beispiel dafür kann das Gemälde von Henri Matisse «Intérieur à Collioure» (1905) dienen: In diesem verändert er nicht nur die natürlichen Farben, sondern löst sich auch von der realen Abbildung der Gegenstände und stellt sie so dar, wie er sie mit seinem inneren Auge sieht. Auch um die richtige Perspektive foutiert sich der Künstler.

 

Im Gegensatz dazu hält sich ein anderer Fauvist, >André Derain, in seinem Bild «Bâteaux dans le Port de Collioure» noch an das althergebrachte Muster der perspektivischen Darstellung. Neu bei Derain sind eigentlich nur die Farben: ein gelb-grüner Himmel, ein roter Sandstrand etc.

 

Mit dem Landschaftsbild «Murnau, Kohlgruberstrasse» von 1908 löst sich auch Kandinsky von der natürlichen Abbildung, und zwar nicht nur in der Form, sondern auch in den Farben. Die Bäume sind stark reduziert und der Weg im Zentrum besteht aus einer ganzen Palette von Farben, die mit der Natur nichts gemein haben. Vielleicht bilden diese Farben das innere Empfinden des Künstlers ab. Oder seine Seele.

 

Im expressionistischen Bild von Murnau könnte man durchaus einen Vorläufer des rund zwei Jahre später (1910) entstandenen Gemäldes «Zwei Reiter und liegende Person» sehen. Es geht einen bedeutenden Schritt weiter in Richtung Abstraktion. Sind da noch figürliche Elemente zu erkennen? Ja, allenfalls nachdem man den Titel des Werkes zur Kenntnis genommen hat. Mit der nötigen Fantasie findet man die liegende Person und vielleicht auch einen Reiter. Was anderseits bedeutet, dass der Weg in die Abstraktion noch nicht abgeschlossen ist.

 

>mehr über Wassily Kandinsky