Jeden Dienstag treffen sich über Mittag Kunstfans im Kunsthaus Zürich – und kompetente Expertinnen und Experten erläutern die Finessen einzelner Werke.
Der Kurs findet zweimal jährlich statt. Im Frühjahr von März bis Juni, im Herbst von September bis Dezember. Je zwölf Wochen.
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Die Reports auf dieser Seite «Kunst über Mittag» sind keine «offiziellen Bildbesprechungen» der Referent:innen, sondern subjektive persönliche Wiedergaben des Gehörten, Gesehenen und Erlebten durch die Autor:innen von artfritz.ch.
Kunst über Mittag 2025 im Kunsthaus Zürich
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Besprochene Werke 2025 |
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Simon Pietersz Verelst (1644-1721). Stillleben
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25. März 2025, Referentin Andrea Sterczer Simon Pietersz Verelst (1644-1721).
Verelst wurde 1644 in Den Haag in eine Künstlerfamilie geboren – es war die Zeit des >Golden Age in den Niederlanden. Sein Vater hiess Pieter Harmensz Verelst (1618-1678), der für seine Genre-Malerei bekannt war. Er unterrichtete auch seinen Sohn Simon. Dieser machte sich einen Namen als Maler von Blumen-Stillleben; er malte aber auch elegante Porträts von Mitgliedern des englischen Königshofs und von Adligen. 1668 zog er nach London und erhielt dort Aufträge vom Hof. König zu jener Zeit war Charles II. aus dem Hause Stuart. Mit seinen Auftraggebern gab es Probleme. Diese warfen ihm Arroganz vor, weil er sich als «Gott der Blumen» aufspielte. Infolge seiner Anfälle ungezügelter Aggression soll er sogar eingesperrt worden sein. Er soll psychische Probleme gehabt haben – es ist aber unsicher, ob er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Auch unter welchen Umständen er 1721 starb, ist nicht bekannt.
Die niederländische Kunst des Blumenstilllebens entwickelte sich in drei Phasen. In der frühen Phase (ca. 1600-1630) waren die Stillleben relativ schlicht, dafür aber sehr naturgetreu. In der Klassischen Phase (ca. 1630-1680) wurden Kompositionen mit überquellenden assymetrischen Arrangements geschaffen. In der Spätphase (ca. 1680-1750) wurden die Darstellungen immer raffinierter und dekorativer, im Stil des Barocks.
Typisch für die niederländische Blumenmalerei waren kleine Vasen mit extrem üppigen Blumenarrangements vor meist dunklem Hintergrund – wie das besprochene Bild von Verelst. Speziell bei diesem ist aber, dass es im unteren Sechstel Elemente der Genre-Malerei aufweist: Putten, die Blumen arrangieren. Es besteht die Vermutung, dass sich der Künstler von seinem Vater dazu inspirieren liess – dieser war ja ein Genre-Maler.
Das Gemälde – aufgebaut als Dreieck mit einer Blüte an der Spitze – ist keine Momentaufnahme eines Blumenarrangements, sondern eine Komposition, die schrittweise mit frischen Blumen im Atelier erstellt wurde. So, wie sich dieses Bild zeigt, hat es der Künstler also nie gesehen.
Typisch für niederländische Blumen-Stills ist auch, dass die >Vanitas mit eingebaut wird. Die Bilder sollen daran erinnern, dass alles Weltliche vergänglich ist angesichts der Unausweichlichkeit des Todes – also auch das Aussehen. Der Künstler stellt diese Vergänglichkeit mit welken Blättern und mit verfaulenden Früchten dar. Das Gemälde soll aber auch das Leben abbilden und die Hoffnung auf ein Weiterleben der Seele nach dem Tod. Diese Hoffnung drückt Verelst mit dem Schmetterling aus, der als Symbol der Seele gilt.
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Wassily Kandinsky
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18. März 2025, Referent Reto Bonifazi Wassily Kandinsky (1866-1944). Frühe Landschaften um 1908.
Der 1866 in Moskau geborene Künstler zieht 1896 mit seiner Ehefrau Anja Semjakina nach München. 1902 lernt er in einem Malkurs in Kochel >Gabriele Münter kennen. Ab 1904 reisen die beiden gemeinsam durch Europa und Nordafrika. 1908 lassen sie sich im bayrischen Murnau nieder, wo sie ein anderes berühmtes Künstlerpaar kennen lernen: Marianne von >Werefkin und Alexej >Jawlensky.
Die Zeit in Murnau ist für Kandinsky eine wichtige Phase. Hier stellt er die Weichen zu seinen später berühmten abstrakten Werken. Um zu diesen zu gelangen, muss er zunächst seine Landschaftsmalerei neu überdenken – sie soll von seinem persönlichen Inneren durchdrungen sein. Die Natur soll nicht mehr nur abgebildet werden, sondern durch neue Farben und Formen so dargestellt werden, dass sie seiner Seele entspricht.
In gewisser Weise haben das die Fauvisten schon ein paar Jahre früher getan, ab 1905. Als «Vorbild» sieht Kandinsky >Henri Matisse, über den er sagt: «Nur Matisse hat die Grenze der zufälligen Naturform überschritten».
Damit meint Kandinsky: Andere Fauvisten verwenden zwar auch «fremde» (=falsche) Farben, aber nur Matisse verändert auch die Abbildung des Gegenständlichen. Als Beispiel dafür kann das Gemälde von Henri Matisse «Intérieur à Collioure» (1905) dienen: In diesem verändert er nicht nur die natürlichen Farben, sondern löst sich auch von der realen Abbildung der Gegenstände und stellt sie so dar, wie er sie mit seinem inneren Auge sieht. Auch um die richtige Perspektive foutiert sich der Künstler.
Im Gegensatz dazu hält sich ein anderer Fauvist, >André Derain, in seinem Bild «Bâteaux dans le Port de Collioure» noch an das althergebrachte Muster der perspektivischen Darstellung. Neu bei Derain sind eigentlich nur die Farben: ein gelb-grüner Himmel, ein roter Sandstrand etc.
Mit dem Landschaftsbild «Murnau, Kohlgruberstrasse» von 1908 löst sich auch Kandinsky von der natürlichen Abbildung, und zwar nicht nur in der Form, sondern auch in den Farben. Die Bäume sind stark reduziert und der Weg im Zentrum besteht aus einer ganzen Palette von Farben, die mit der Natur nichts gemein haben. Vielleicht bilden diese Farben das innere Empfinden des Künstlers ab. Oder seine Seele.
Im expressionistischen Bild von Murnau könnte man durchaus einen Vorläufer des rund zwei Jahre später (1910) entstandenen Gemäldes «Zwei Reiter und liegende Person» sehen. Es geht einen bedeutenden Schritt weiter in Richtung Abstraktion. Sind da noch figürliche Elemente zu erkennen? Ja, allenfalls nachdem man den Titel des Werkes zur Kenntnis genommen hat. Mit der nötigen Fantasie findet man die liegende Person und vielleicht auch einen Reiter. Was anderseits bedeutet, dass der Weg in die Abstraktion noch nicht abgeschlossen ist.
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